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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten
Autoren: Andrea Schacht
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nicht. Lothar von Hane scheint einen endgültigen Strich unter die Herrschaft der Mater Dolorosa gezogen zu haben. Er wird seine Kameraden gewarnt haben, bevor er die Frau überwältigt hat. Mehr werdet Ihr von den Weibern dort erfahren, denke ich.«
    »Warum hat er es getan?«
    »Er hat zu lange und zu sehr unter ihren Machenschaften gelitten, Hauptmann. Ich glaube, im Grunde war er ein anständiger Mann, und sein Tod dauert mich.«
    Piet und Hagan ritten zurück und überließen es Upladhin und den erzbischöf­lichen Kämpen, das Haus zu bewachen und den Greven zu informieren.

45. Heimgang
    Wer andre hilft erlösen,
    hilft auch sich selbst vom Bösen.
    Hartmann von Aue
    Wind und Regen hatten die Blätter von den Zweigen fallen lassen, und nun bedeckte ein goldener Teppich den Weg zur Klause der Friedensstifterin. Ein langer Zug von Menschen begleitete Hemma auf ihrem letzten Heimweg. Voran schritt der Erzbischof von Köln in seinem prunkvollen Ornat mit dem gekrümmten Bischofsstab. Abwechselnd trugen die Menschen den Sarg auf ihren Schultern, sangen und beteten, bis sie die stille Lichtung erreicht hatten, wo Hemma von Hürth ihre letzte Ruhestätte finden sollte.
    Laure schritt mit Hagan dicht hinter dem Sarg her, Paitze, Jan und Melle folgten ihnen. Piet ging neben Martine, nach ihnen kamen das Gesinde der »Bischofsmütze« und die Vaganten. Man akzeptierte sie als die engsten Freunde der Verstorbenen.
    Stephan trat aus der Klause, als sie die Lichtung erreicht hatten. Er trug eine einfache Kutte und Sandalen. Es war sein Entschluss gewesen, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, um endlich mit seinem Gewissen ins Reine zu kommen.
    Die Menschen versammelten sich schweigend in dem Rund, das von gefallenem Laub bedeckt war. Als der Sarg in die schwarze Erde gesenkt wurde, fiel Sonnenlicht auf die flüsternden Blätter. Die beiden weißen Tauben auf dem First der neu errichteten Klause gurrten leise, und Laure vermeinte den grauen Schatten des zahmen Wolfes hinter den Bäumen sitzen zu sehen.
    Dietrich von Moers war auf Hagans Bitte gekommen, und durch ihn erfuhr nun Hemma die größte Ehre. Es würde nicht die bösen Taten ihrer Schwester vergessen lassen, doch ihr Angedenken würden die Menschen, denen sie geholfen hatte, Frieden mit sich selbst zu schließen, lange bewahren.
    Erlösung, so dachte Laure, fand man in sich selbst.
    Jeder auf seine Weise.
    Stephan suchte sie in der Einsamkeit, um seinen Frieden mit dem Hass auf seinen Bruder zu machen, der die Ursache für seine verbitterten Schuldgefühle war.
    Elseken schien sich durch Goswins Tod befreit zu fühlen. Sie war weit weniger zänkisch und sauertöpfisch. Sie fand Ruhe in ihrer Arbeit in der Küche und hatte sogar angefangen, hier und da ein neues Gewürz auszuprobieren. Sie würde im Gasthaus bleiben.
    Laure, Jan und Paitze würden mit Hagan auf das Hofgut ziehen – und eine stille Freude darüber überlagerte den Schmerz, ihr Gasthaus verlassen zu müssen. Aber auch ein solch großes Gut zu führen würde eine Herausforderung sein. Vor allem, weil seine Bewohner ihre Arbeit zu wür­digen wussten. Upladhin hatte von einem Ohr bis zum anderen gestrahlt, als sie ihm androhte, dass sie in Zukunft mit harter Hand über Küche und Kammern herrschen wollte.
    Melle war glücklich.
    Jan und Paitze aufgeregt.
    Piet stand noch immer neben Martine und hatte seinen Arm um ihre Hüfte gelegt. Laure hatte es geahnt, dass sie zueinanderfinden würden. Sie hatten beide ein entsetz­liches Schicksal hinter sich gelassen und dennoch ihren Frieden damit gemacht.
    Hagan hatte vorgeschlagen, dass sie Piet das Gasthaus verpachten solle. Der Anführer der Vaganten wollte sesshaft werden, und mit ihm blieben Inocenta und Bertrand, der Löffelschnitzer. Die anderen würden vermutlich im Frühjahr weiterziehen.
    Oder auch nicht.
    Das geheime Buch aber hatte Hagan seinem Vetter übergeben. Es sollte in dem Prozess, der Gunnar gemacht werden würde, eine maßgeb­liche Rolle spielen.
    Sie sangen das De profundis, und der Wind raschelte durch das Laub. Blätter sammelten sich in dem Grab und bedeckten den Sarg mit ihrer Farbenpracht.
    Hemma hatte den Wald geliebt und die Tiere, die bei ihr lebten. Auch sie würden um eine gütige Frau trauern, die den Ratsuchenden selbstlos beigestanden hatte.
    Laure dachte an den Ritter Lothar von Hane. Ein zwiespältiger Mensch – zerrissen von Pflicht und Gewissen. Er hatte den gutmütigen Bären getötet, den Hemma voll Liebe
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