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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten
Autoren: Andrea Schacht
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muss.«
    »Ja. Es wird wieder knapp werden. Und wo jetzt auch kein Wagner mehr da ist.« Paitze legte bedrückt die Hände in den Schoß. »Obwohl der Goswin … na gut, über Tote soll man nicht böse reden.«
    »Nein, soll man nicht. Aber Elseken ist auch nicht so sehr traurig.«
    »Nö. Die beiden haben immer gezankt.«
    »Wie lange ist dein Vater schon tot?«
    »Ist am Christfest fünf Jahre.«
    »Deine Mutter hätte schon lange wieder heiraten können.«
    »Ja, hätte sie. Manchmal haben Männer ihr den Hof gemacht. Aber sie hat immer abgelehnt.«
    »Warum eigentlich?«
    »Weiß ich nicht. Vielleicht … Ich glaube, sie mochte den Ritter von Hane sehr.«
    »Tja …«
    Melle versuchte noch ein bisschen mehr heraus­zu­be­kommen. Seit sie gesehen hatte, wie ihr Vater Frau Laure umarmt hatte, wollte sie wissen, wie es um die beiden bestellt war. Sicher, Frau Laure war ein freund­liches Weib, und sie mochte sie sehr. Aber sie wollte auch nicht, dass sie ihren Vater ausnutzte. Oder nur mit ihm herumtändelte. Denn irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er sie sehr, sehr gern hatte.
    Und ihr würde es schon Spaß machen, im Gasthaus zu wohnen, mit all den Reisenden und Gästen und der Geselligkeit. Und Jan und Paitze dazu.
    »Jetzt mag sie deinen Vater wohl mehr, Melle«, sagte Paitze leise.
    »Glaubst du?«
    »Ich denke schon. Sie sorgt für ihn, so wie sie für Papa früher auch gesorgt hat. Aber – er ist ja ein Bischof, nicht? Das geht ebenso wenig wie ein Ritter.«
    »Meine Mutter hat auch mit einem Pfarrer zusammen­gelebt. Wie Mann und Weib.«
    »Ja, aber das hier ist doch nur ein Gasthaus, und er will bestimmt sein eigenes Heim haben.«
    »Vielleicht würde sie mit ihm gehen.«
    »Ja, vielleicht.«
    Paitze schien nicht glücklich darüber zu sein. Also ließ Melle das Thema ruhen. Sie war schon zufrieden damit, dass ihre Beobachtung wohl stimmte. Alles andere würde sie ihrem Vater überlassen. Er war vermutlich sehr wohl in der Lage, es so zu richten, dass es sich für alle zum Guten wendete.
    Es war beruhigend, einen Vater wie ihn zu haben.
    Auch wenn man ihm hin und wieder widersprechen musste.
    Nur so, damit er merkte, dass er nicht ausschließlich verehrt wurde.
    Laure bezog ihr eigenes Zimmer wieder. Hemma war nun in der Kirche von Merheim aufgebahrt, und unzählige Menschen suchten sie dort auf, um von der Friedensstifterin Abschied zu nehmen.
    Martine half ihr, die Strohsäcke hinauszuschleppen und neue in das Bettgestell zu wuchten. Sie nahm auch die Vorhänge ab, die vor dem Baldachin hingen, und legte sie zu den Laken und Decken, die gewaschen werden sollten. Die Nächte waren noch nicht so kalt, dass sie sich gegen Zugluft schützen musste. So gern sie die alte Frau gehabt hatte, ihr Tod löste einige ihrer Probleme. Laure holte ihr Tintenfass, die Federn und ihr heim­liches Büchlein aus der kleinen Kammer, in die sie gezogen war. Und auch ihre Kleider konnte sie nun endlich wieder sorgfältig in ihre Truhen räumen. Die Kinder konnten ebenfalls in ihre Kammer zurückkehren, Hagan würde wieder ein Bett im Gasthaus benutzen.
    Versonnen strich sie das Laken glatt.
    Es gäbe sicher auch noch eine andere Möglichkeit.
    Nein, gab es nicht.
    Energisch schüttelte sie das Polster auf und legte eine der großen Decken darüber. Unter den Baldachin aber hängte sie ein Bündel duftender Kräuter aus dem Garten, Kräuter, die besänftigen sollten, tiefen Schlaf und schöne Träume schenkten.
    Gäste würde sie erst wieder aufnehmen, überlegte sie, wenn die Gefahr eines weiteren Überfalls gebannt war. Derzeit hatten sowieso die Vaganten, Stephan und Upladhin mit seinen Mannen die Schlafkammern belegt, da die Scheune ja abgebrannt war.
    Elseken war weiterhin in sich gekehrt. Sie hatten Goswin am Morgen begraben, und keine Träne hatte ihre Wange genetzt. Anschließend hatte sie wieder Teig geknetet wie üblich und mittags ein Mahl für alle Helfer gerichtet.
    Es gab alle Hände voll zu tun. Unzählige Schäden waren zu beheben, der zertrampelte Garten musste in Ordnung gebracht, Leinen mussten gewaschen und Staub und Asche von den Fenstern geputzt werden. Außerdem waren et­liche verwundet, brauchten Salben und Verbände oder lindernde Kräuteraufgüsse. Inocenta kümmerte sich unablässig um sie, aber sie hatte auch schon Wünsche geäußert. Also war Laure am Nachmittag zusammen mit Piet nach Porz gefahren, um Vorräte einzukaufen, und erst in der Abenddämmerung waren sie
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