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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten
Autoren: Andrea Schacht
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musste er sein Gewand raffen, weil er glitschigen Unrat unter seinen Füßen verspürte. Getier huschte an Häu­serwänden vorbei, hier und da ertönte ein Quieken, von dem er annahm, dass die Ratte der Tod ereilt hatte. Die nächt­lichen Räuber waren auf der Jagd.
    Ansonsten war es ruhig, die lauten Gelage fanden an anderen Orten statt.
    Und da es so still war, blieb er stehen, als er eilige Schritte hörte, drückte sich in den Schatten einer Türnische und lauschte aufmerksam. Ein Keuchen, dann ein erstickter Schrei. Ein Mensch fiel zu Boden.
    Der Bischof spähte in die von blassem Mondlicht beschienene Gasse.
    Eine Frau in einem hellen Gewand lag auf dem Pflaster, ein Mann kniete neben ihr, ein anderer stand und blickte in die andere Richtung. Der Kniende zog ein Messer aus dem Leib des Weibes, wischte es an ihrem Kleid ab.
    Der Bischof sah in sein Gesicht, als er aufblickte.
    Erkennen durchzuckte die Miene des Mannes. Er richtete sich mit einem Fluch auf, der andere wandte sich um.
    »Weg«, zischte er seinem Kumpan zu und lief los. Der aber war zu langsam. Der Bischof sprang ihn an. Ein Messer fiel klirrend zu Boden, dann auch der Mann. Leblos, mit unnatürlich abgewinkeltem Hals.
    Ihn würdigte der Bischof keines zweiten Blickes, sondern kniete neben der Frau nieder.
    »Hanna?«
    Ihr Leben versickerte im Straßenstaub, doch mit flatternden Lidern sah sie ihn an.
    »Flucht. Unheiligkeit. Sakram …«
    Er strich ihr sanft über die Stirn und murmelte die Absolutionsformel.
    Mit einem letzten Zittern starb sie in seinen Armen.
    »Hanna!«, sagte er noch einmal leise, und Trauer schwang in seinen Worten mit.
    Dann erhob er sich.
    Als die Mitternacht verkündet wurde, trat er an das Ufer des Rheins und entledigte sich seines bischöf­lichen Ornats. Achtlos warf er das kostbare, doch blutverschmierte Gewand unter einen Busch und ging, nur mit seiner Bruche gekleidet, in die kühlen Fluten, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Am sandigen Gestade würde man bei Tagesanbruch deutlich sichtbar seine Bischofsmütze finden.

2. Rillette vom Fisch
    Laure musterte die starken Federkiele kritisch. Vier Stück hatten ihr ihre beiden Kinder in den vergangenen Tagen gebracht. Sie hoffte, sie hatten sie gefunden und nicht den Gänsen, die sie hüten sollten, ausgerupft. Die Vögel verloren diese Schwungfedern im Frühjahr meist von selbst. Auch einige Rabenfedern und eine von einem Schwan hatte sie gehortet.
    Vorne im Hof zeterte Elseken mit einer Magd herum, und vorsichtshalber versteckte Laure die Federn, das Messer und die harten Holzstäbchen unter ihrer Schürze. Sie hoffte jedoch, dass die Frau ihres Stiefsohnes sich bald wieder in die Küche verzog, sodass sie in Ruhe die Kiele zuschneiden konnte.
    Es schien so zu sein, und mit einem leisen Seufzer holte Laure ihr Handwerkszeug wieder hervor. Die Federkiele hatten einige Tage in Wasser gestanden, sodass sie nun mit einem spitzen Hölzchen das Mark herauskratzen konnte, um sie dann mit dem sehr scharfen Messer zuzuschneiden. Während sie dieser diffizilen Tätigkeit nachging, erhitzte sich in einer Tonschale feiner Flusssand über einem Feuerchen. Als sie zufrieden mit dem Zuschnitt war, steckte sie die feuchten Kiele in den Sand. Es zischte leise, und sehr sorgsam achtete sie darauf, dass die Federn langsam härteten, ohne Risse zu bekommen. Laure hatte Übung darin, sich ihre Schreibgeräte selbst herzustellen. Doch sie tat es mit Heimlichkeit, denn ihre Fähigkeiten, sie zu nutzen, sahen ihre Angehörigen nicht gerne.
    Weshalb sie sich zu ihrer Herstellung meist hinter den Stall zurückzog.
    Schließlich hatten die Spitzen der Kiele die durch­scheinende Konsistenz von Fingernägeln angenommen, und Laure löschte das Flämmchen unter dem Sand. Die Federn steckte sie in ihre tiefe Schürzentasche, den Topf mit dem heißen Sand wollte sie in die Remise bringen, wo er unauffällig auf einem Bord auf seine nächste Verwendung warten würde.
    Die Remise war ein geräumiges Gebäude, in dem die Gäste des Wirtshauses ihre Pferde, ja sogar zwei, drei Frachtkarren unterstellen konnten. Derzeit stand nur eine magere Mähre dort drin und malmte bedächtig etwas aus der Krippe. Laure stellte den Topf ab und wollte dem Pferd freundlich die Flanken tätscheln, als sie einen ungewöhn­lichen Schatten bemerkte. Sie kniff die Augen zusammen, um im Halbdunkel zu erkennen, was dort anders war als sonst.
    Und als sie näher trat, packte sie das Entsetzen.
    Ein Mann schwebte
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