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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten
Autoren: Andrea Schacht
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großmäulig und ungehobelt. Den Schankmaiden hatte Laure geraten, sich von ihnen fern­­­­zuhalten, aber dann und wann brachten Alard und Curt ein paar Dirnen mit. Sie hatte den Verdacht, dass auch Goswin deren Künste in Anspruch nahm – ein Grund mehr, warum Elseken immer bitterere Falten um die Nase bekam. Die eigent­liche Ursache aber war die Tatsache, dass sie in den zehn Jahren ihrer Ehe nicht schwanger geworden war.
    Sie hingegen hatte Glück, das führte sich Laure auch jetzt wieder vor Augen. Sie hatte Jan und Paitze, und auch wenn sie Kornel noch immer vermisste, so waren die Kinder lebendiges Andenken an ihn und seine verständnisvolle Güte.
    Laure schlug das Buch zu, verstaute es wieder in der Truhe und schloss sie mit dem Schlüssel ab, den sie immer an ihrem Gürtel trug. Sicher war sicher!

3. Die Vaganten
    Wer werden will, was er sein sollte, der muss lassen, was er jetzt ist.
    Meister Eckhart, Mystische Schriften
    Zur näm­lichen nächt­lichen Stunde schlenderte Piet Godemann, der einarmige Anführer einer Gruppe von Vaganten, am Rheinufer entlang. Auf der anderen Seite des Flusses warfen vereinzelte Lichter der Stadt Konstanz tanzende Funken auf das dunkle, leicht gekräuselte Wasser. Ein magerer Mond hing schief zwischen den Wolken und spendete ebenfalls eine gewisse Helligkeit.
    Zumindest so viel, dass Piet die kleine Unregelmäßigkeit im sanften Dahinströmen des Flusses bemerkte. Er blieb stehen und wartete, bis er deut­licher erkennen konnte, was da im Wasser schwamm – ein Kopf, ein bleiches Gesicht, um das sich nasse Haare wie Algen ringelten.
    Es schnaubte und plätscherte.
    Piet trat näher an den Uferrand. Es war sandig, da und dort mit grobem Kies bedeckt. Das Treibholz aber hatten seine Leute bereits aufgesammelt, um ihre Feuer damit zu bestücken. Jungbelaubtes Gebüsch krallte sich an einigen Stellen in den Untergrund, und auf einen Strauch hielt der Kopf des Schwimmers zu.
    Piet ging die wenigen Schritte in diese Richtung, beugte sich vor und reichte dem Mann seine rechte Hand. Der ergriff sie und wurde mit einiger Kraft an Land gezogen.
    »Verflucht kalt«, sagte er mit klappernden Zähnen.
    »Eine Taufe ihrer eigenen Art.«
    »Das Fegefeuer wär mir jetzt lieber.«
    Piet stieß ein trockenes Lachen aus.
    »Ein Lagerfeuer kann ich Euch bieten. Und vielleicht auch ein kratziges Hemd.«
    »Ein nackter Mann kann nicht wählerisch sein.«
    »Nicht völlig entblößt, scheint mir«, meinte Piet und ließ seinen Blick auf den wohlgefüllten Lederschlauch fallen, der über der tropfenden Bruche hing. Und über den nassen, blutigen Lumpen um den linken Oberarm des Schwimmers.
    »Eine Beschwernis, wie ich gerade bemerkte.«
    »Ich könnte Euch erleichtern.«
    »Könntet Ihr. Werdet Ihr aber nicht.«
    »Was gibt Euch die Gewissheit?«
    »Sicher nicht Eure Gottgefälligkeit, aber Euer Sinn für Gerechtigkeit.«
    »Ihr seid mehr als vertrauensvoll. Folgt mir.«
    Barfuß humpelte der Nackte über den kiesigen Strand auf die Feuer zu, an denen ein knappes Dutzend Menschen saßen. Man sah ihm entgegen, und eine Zwergin begann zu kichern.
    »Was für einen Wabbelbauch hast du denn da aus dem Fluss geangelt?«, fragte sie Piet.
    »Einen gut gemästeten Fisch, Inocenta. Das Wohlleben hat seine Spuren hinterlassen.«
    Der nasse Mann schaute einigermaßen betreten an seinem bleichen Wanst herunter.
    »Das wird schon wieder«, sagte ein Hagerer, der im Schein des Feuers Löffel geschnitzt hatte. »Ein paar Monate auf der Landstraße, und der Speck ist weg.«
    »Inocenta, such ihm ein trockenes Hemd heraus und einen Leinenstreifen für diesen blutigen Kratzer«, befahl Piet, und die Zwergin stand zusammen mit einer dicken Frau auf, um in Bündeln auf einem Karren zu wühlen.
    Nicht nur Hemd und Bruche, auch ein wollenes Wams, eine Gugel und ein Paar etwas ausgetretener Stiefel brachten sie ihm, und als er angekleidet und die Wunde an seinem Arm verbunden war, reichte Piet ihm ein Tuch, damit er sich die Haare trocknen konnte.
    »Setzt Euch ans Feuer und erzählt«, forderte er dann.
    Ein junger Bursche begann, mit einigen rundgewaschenen Kieseln zu jonglieren, und warf dann und wann einen der Steine einem munteren Äffchen zu, das danach schnappte und zurückwarf. Das dicke Weib reichte dem Mann einen Becher sauren Wein und einen Kanten Brot.
    »Dank Euch.« Er trank, nahm einen Bissen und blickte in die Runde. »Ja, dank Euch. Dank Euch bin ich nun ein toter Mann. Doch weniger tot, als ich
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