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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten
Autoren: Andrea Schacht
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zurückgekommen.
    Hagan war noch nicht eingetroffen.
    »Ihr macht Euch Sorgen, Laure?«
    »Ja, Piet. Wenn sie ihn verfolgen …«
    »Man braucht einen Ritt von einem halben Tag, Laure. Und er wird viel mit dem Erzbischof zu bereden haben.«
    »Sein Vetter …«, flüsterte sie.
    »Sein Vetter?«
    »Hagan ist der Sohn des vorherigen Erzbischofs, Friedrich von Saarwerden. Wusstet Ihr das nicht?«
    Piet machte den Mund auf und dann wieder zu. Und dann sagte er trocken: »Nein.«
    »Ihr seid überrascht.«
    »Das beschreibt es nur unvollkommen. Ich wusste, dass er der Sohn eines einflussreichen Mannes ist, aber das …«
    »Das macht es noch ein wenig gefähr­licher.«
    »Wohl wahr.« Und Piet schauderte. »Wenn das die Mater Dolorosa herausgefunden hätte …«
    »Hätte sie ihn kaum mehr leiden lassen können.«
    »Hat er sich Euch anvertraut?«
    Laure schüttelte den Kopf.
    »Nein. Aber Ihr wisst doch, ich kann gut in Gesichtern lesen. Ich sehe Ähnlichkeiten, die anderen entgehen. Als er den Bart abgenommen hatte, war es für mich ziemlich offensichtlich.«
    »Ihr kanntet den vorherigen Erzbischof?«
    »Kennen nicht, aber ich habe ihn ein paarmal gesehen. Es bleibt nicht aus, wenn man in Köln lebt und an hohen Feiertagen den Dom besucht. Ich hielt ihn immer für einen Mann von lauterem Charakter. Langmütig war er wohl nicht, doch aber von starkem Willen.«
    »Streitbar war er, Laure, aber Ihr habt recht, er stritt für die Seinen.«
    »Sein Vetter ist auch streitbar. Ich hoffe, dass sie nicht in Streit geraten.«
    »Sie waren einst Freunde, hat er mir gesagt. Ha! Damals hätte ich schon drauf kommen können.« Sie ruckelten mit dem Wagen durch ein paar ausgefahrene Pfützen. Es nieselte, hin und wieder fauchten ein paar Böen über das Land. Doch schon kam das Gasthaus in Sicht.
    »Laure, Hagan ist ein einsamer Mann. Wenn Ihr ihm geneigt seid, lasst ihn nicht zu lange warten.«
    Laure biss sich auf die Lippen. Sah man ihr das denn so deutlich an? Kühl fragte sie deshalb: »Worauf warten?«
    »Auf sein warmes Mahl und ein warmes Bett, Laure.«
    »Mhm.«
    Piet lachte.
    Aber Hagan war nicht da, als sie die heiße Suppe ausschenkte, und auch nicht, als sie den heißen Würzwein auf die Tische stellte. Gesinde, Helfer, Vaganten – sie alle waren schweigsam und müde, und die Gaststube leerte sich rasch. Auch Laure kehrte früh in ihr Gemach zurück, und auch wenn sie die Sorge um Hagan plagte, sank sie doch mit einem Seufzer der Zufriedenheit in ihr Bett. Es war so viel bequemer als die kleine, harte Liege in der Seiten­kammer.
    Der Wind rüttelte leicht an den Läden, das Nachtlämpchen flackerte, und darüber schlief sie unversehens ein.
    Und wachte unversehens auf.
    Ein Finger hatte ihr über die Wange gestrichen. Ein kühler Finger. Und der Geruch einer feuchten, kalten Nacht streifte sie.
    »Für das warme Mahl seid Ihr zu spät«, sagte sie leise.
    »Die Nacht war so kalt und der Ritt so lang. Ich sehne mich nach gast­licher Wärme.«
    Sie rückte ein wenig nach hinten und lupfte leicht die Decke.
    »Lädst du mich ein, Frau Wirtin?«
    »Es ist wohl eine Christenpflicht, einem armen, obdachsuchenden Menschen ein Lager zu bieten.«
    Stiefel fielen mit einem Plumps zu Boden. Stoff und Leder folgten, dann kam ein sehr kühler Mann unter ihre Decke.
    »Christenpflicht«, murmelte er.
    »Eine harte Pflicht, so kalt wie Ihr seid.«
    »Sie wird dir im Himmel entlohnt werden.«
    Laure seufzte leicht.
    »Dauert dir das zu lange?«
    Sie legte ihren Arm über seine bloße Brust, spürte die Narben, die Muskeln, den schnellen Herzschlag.
    »Kannst du mir himmlischen Lohn versprechen, Bi­­schof?«
    »Keiner mehr, Lieb. Der Erzbischof von Köln hat mir Dispens erteilt. Aber einige irdische Freuden könnte ich dir bereiten.«
    Laure schmiegte sich näher an ihn. Die Kühle war aus seinem Leib gewichen, warm, ja fast heiß fühlte er sich an.
    Es war so lange her, dass ein Mann sie umarmt hatte.
    Und irdische Freuden gespendet hatte.
    »Du bist heimgekommen«, flüsterte sie.
    »Nein, ich werde endlich heimkommen.«
    Damit schloss er sie in seine Arme und begann seine versprochene Werbung.
    Sie gestaltete sich überhaupt nicht schwierig.
    Und sie enthielt himmlischen Lohn.

43. Überraschung
    Welch ein Graus wird sein und Zagen,
    Wenn der Richter kommt mit Fragen.
    Dies irae
    Gunnar von Erpelenz hatte vor Wut geschäumt, als er von dem missglückten Überfall auf das Gasthaus gehört hatte. Dass Friedrichs Sohn lebte,
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