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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon
Autoren: Phil Rickman
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aber wahrscheinlicher.
    «Schon wieder? Ich an Eurer Stelle würde die Nacht zitternd im Abtritt verbringen, das schwör ich Euch. Aber wenn man sie schon kannte, als sie noch jung war …»
    «Sie ist noch immer jung, Jack.»
    «Nee, nee, die werden schnell erwachsen mit einer Krone auf dem Kopf. Außen sehen sie noch frisch und rosig aus, aber drinnen sind sie schuppig wie eine Echse. Was ist denn der Anlass?»
    Seit dem Vorfall mit der Wachspuppe war mehr als ein Monat vergangen, und ich hatte nichts mehr darüber gehört, darum ging es also wahrscheinlich nicht.
    «Ich weiß es wirklich nicht», sagte ich. «Meine Forschungen interessieren sie …»
    «Da sprecht Ihr wohl von dem Navigationsapparat?» Zwinkerte er? «Na, ich geh besser rein. Kann meine Zehen nicht mehr fühlen. Ich wünsch Euch Glück, Dr. John.»
    Aus irgendeinem Grund fand Jack Simm mich amüsant.
     
    †
     
    Als ich das Cottage hinter mir ließ, rutschte ich auf einer überfrorenen Fahrrinne aus und stolperte. Nicht weit von der Stelle entfernt hatte sich erst vor zwei Wochen ein alter Mann das Bein gebrochen und war nicht vor dem Morgen gefunden worden. Bis dahin war er längst erfroren.
    Es gab ohnehin keinen Grund zur Eile; heute Nacht konnte ich nicht mehr arbeiten. Ich musste meiner Mutter helfen, das Haus für den Besuch der Königin vorzubereiten … obwohl ich wusste, dass sie es nicht betreten würde.
    Ich humpelte in die High Street, vorbei an der von Nonnen geführten Schule für die Kinder der Armen – gut gemeint, aber ein armes Kind mit etwas Bildung wurde von seinen Eltern oft bei der ersten Gelegenheit verkauft. Ganz hinten in der Schulkapelle brannten noch Kerzen, doch in der nahegelegenen Kirche St. Mary war alles dunkel. Eine große moderne Kirche, die bei Nacht nur unwesentlich interessanter wirkte als am Tage. Mir hätte ein richtiger Kirchturm gefallen – als Symbol eines himmelwärts gewandten spirituellen Strebens.
    Nicht, dass in letzter Zeit jemand gewagt hätte, sich in höhere Sphären hinaufzuschwingen. Jedenfalls nicht mehr seit meiner Kindheit. Heutzutage knien nur Narren vor Gott, ohne erst über die Schulter zu schauen – oder wagen es gar, allzu lange mit geschlossenen Augen zu beten. Es herrscht vollkommene Verwirrung. Man flieht vor Visionen und dem Heiligen Geist. Wie sollen Verstand und Wissenschaft Fortschritte machen in England, wenn Eiferer wie Abel Meadows umhermarschieren und vor der demnächst bevorstehenden Apokalypse warnen? Wofür es selbstverständlich nicht den geringsten wissenschaftlichen Beweis gibt.
    Morgen Lichtmess. Mariä Reinigung, wenn die Kerzen gesegnet werden. Und niemand weiß mehr etwas damit anzufangen. In einigen Kirchen ist das Segnen von Kerzen ein heiliges Ritual.
    Ich blieb stehen, neben dem Eingang zum Friedhof. In dieser eisigen Nacht kamen mir die Sterne – die
Energie
der Sterne – ganz wahr und nah vor. Hell strahlende Himmelskörper, ein jeder vertraut, bildeten dort in einem komplizierten Tanz komplexe Muster, die mir so schön vorkamen wie ein Knotengarten im Himmel.
Mein
Garten.
    Die gleiche alte Aufregung erfasste mich wieder, überspülte mich wie die Flut der vom Mond verursachten Gezeiten. Ich schloss die Augen und streckte die Hände aus, fühlte das Flirren unsichtbarer Vibrationen, spürte, wie geheiligte Splitter eisweißen Lichts durch meinen Körper trieben, den ich mir in der kalten blauen Nacht durchsichtig vorstellte.
    So bemerkte ich meine Mutter nicht, bis sie direkt vor mir stand.
    «Der Kopf in den Wolken, wie immer, wenn die Nase nicht grad in Büchern steckt. Und? Hast du sie gefunden?»
    Jane, die Witwe Dee. Eine recht große Frau mit noch immer geradem Rücken, obwohl sie schon auf die sechzig zuging. Sie hob ihre Laterne vor mein Gesicht, als wollte sie sichergehen, dass ich es wirklich war.
    «Nein.» Ich nahm ihr die Laterne ab, während wir losgingen. Es war nicht der passende Augenblick, ihr von Abel Meadows’ Irrsinn zu erzählen. «Aber ich habe in Erfahrung gebracht, dass sie daheim Sorgen hat. Jemand aus ihrer Familie ist krank geworden.»
    «Die
Pest

    Meine Mutter wich einen Schritt zurück. Holte erschreckt Luft.
    «Nein, Mutter. Sie ist zum Einrenker, damit er ihrer Großmutter hilft. Wahrscheinlich ist sie spät zurückgekehrt und hat es vor Einbruch der Dunkelheit nicht zu uns geschafft.»
    «Mag sein, aber dann hätte sie uns eine Nachricht zukommen lassen müssen.»
    Und
wie
? Ich war kurz davor, sie das zu
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