Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
Zeit nach und darüber, wie wir mehr aus ihr machen konnten. Die Dauer eines einzelnen Lebens würde niemals reichen. Ein zartes Ding ist es, ein kurzes Aufflackern des Kerzenscheins, gleich darauf verschwunden. Wenn es nicht gar vorzeitig ausgelöscht wird, durch … eine Fehleinschätzung.
    In der Woche, in der ich in Paris meine Abreise vorbereitet hatte, sprach man überall von einem neuen Lebenselixier. Ich glaubte nicht daran. Sollte es je eine Methode der Lebensverlängerung geben, wird sie nichts mit einem verkorkten Fläschchen zu tun haben, sondern Teil eines inneren Prozesses sein. Als man mich mit fünfzehn nach Cambridge schickte, überlegte ich mir, dass der erste, einfachste Schritt, um die Zeit zu verlängern, weniger Schlaf war.
    Ich wusste, dass ich Glück hatte, überhaupt die Universität besuchen zu können, denn mein Vater war keineswegs so vermögend, wie er gern den Anschein erweckte. Genauso bewusst war mir, dass wir in gefährlichen Zeiten lebten und er einem König diente, dessen Gunst und Hass so berechenbar und beständig waren wie das Aprilwetter. Ich machte mir gar nicht erst vor, dass ich allzu lange an der Universität verweilen könnte, und stürzte mich deshalb in meine Studien, schlief kaum mehr als drei Stunden pro Nacht, spürte wegen der Unstillbarkeit meines Wissensdursts keine Müdigkeit.
    Daher kann ich auch heute noch viele Stunden arbeiten, ohne zu schlafen, wenn es sein muss. Inzwischen aber weiß ich, dass die Schlaflosigkeit von meiner … nun, von meiner Angst herrührt. Meine Angst vor dem Schlaf, der die Bettgenossin des Todes ist. Und Angst vor Träumen, die den größten Schrecken Gestalt verleihen können.
    RUMS
 …
    Und versuchte mit Mitteln der Zauberei, Ihre Majestät zu meucheln oder Ihr schwer zu schaden …
    RUMS
 …
    Ergreift ihn …
    Ich fuhr mit wild klopfendem Herzen im Bett hoch.
    Gott sei Dank, wir haben nicht mehr
dieselbe Königin
.
     
    †
     
    Derlei Anklagen waren gegen meinen Vater nicht erhoben worden, dennoch war sein Sturz vollkommen gewesen, als Protestant während der Säuberungen von Maria, der Katholischen. Man nahm ihm alles bis auf sein Haus. Zu der Zeit war ich wegen meiner Gelehrsamkeit fast eine Berühmtheit in Europa. In Paris stand man auf Kisten und drängte sich in Massen vor den offenen Fenstern, um meine Vorlesung über Euklid zu hören. Berühmte Männer kamen nach Louvain, um meine Meinung einzuholen. In England hingegen …
    In England konnte ich es mir nicht einmal leisten, ein Observatorium zu errichten oder eine zweite Dienerin zu bezahlen, obgleich ich im Haus meiner Mutter lebte.
    Dieses Land ist hinter der Zeit zurück.
    Im folgenden Sommer würde ich einunddreißig werden. Lieber Gott, damit war meine Reise in dieser Welt möglicherweise schon halb vorüber, und es gab noch so viel zu tun, so viel herauszufinden und zu lernen.
    Der kalte Mond erhellte meine Wand zwischen den Balken. Die Katze schnurrte. Der Duft von Gebäck hing noch immer in der Luft – meine Mutter hatte fast bis Mitternacht in der Küche geschuftet, gebacken und alles vorbereitet, falls der einzige überlebende Spross Heinrichs VIII . sich herablassen sollte, mit seiner kleinen Armee von Gefolgsleuten unsere Schwelle zu überschreiten. Ich hatte versucht dabei zu helfen, war aber schließlich weggeschickt worden … denn wie hätte ich die Königin übermüdet und mit schläfrigen Augen angemessen in Mortlake empfangen sollen?
    So schlief ich endlich ein und hatte einen meiner schlimmsten wiederkehrenden Albträume.
    Meine Hände sind auf den Rücken gefesselt, ich stehe gegen eine Holzwand gedrückt, meine Augen sind geschlossen, und ich frage mich, wann sie es tun.
    Lausche auf das Prasseln und Knacken, erwarte die aufwallende Hitze.
    Stille folgt, ich denke, sie sind weg. Sie tun es doch nicht. Ich wurde begnadigt. Ich bin frei.
    Und öffne dann die Augen, schaue in einen schönen blauen Himmel über London mit all seinen Kirchturmspitzen. Will hinaufschweben. Überlege, wie ich die Fesseln an meinen Händen löse, und sehe nach unten …
    … meine Schenkel sind verkohlt, zu Asche verbrannt, ich kann sie ebenso wenig fühlen wie Jack Simm seine erfrorenen Zehen. Meine Beine bestehen nur noch aus schwarzen Knochen, die Überreste meiner Füße liegen etwas entfernt in der rauchenden Glut.
    Und dann wache ich auf, liege auf den Holzdielen des Bodens, wo ich hingerollt bin, in blinder Panik vor dem plötzlich brüllenden, an mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher