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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon
Autoren: Phil Rickman
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zehrenden Feuer und der grässlichen Ahnung vom Nimbus der Hölle um meinen Kopf.

II Hasen
    G ut, sie kam also zu uns.
    Kurz nach elf Uhr erschien ihr leuchtendes Gefolge in einer Armada aus Barken und Ruderkähnen auf dem Fluss. Banner wehten, die Sonne spiegelte sich auf Helmen und Klingen, die Luft zitterte vor Frost.
    Vor Frost und voller Erwartung, ein Zittern, das in meiner Erfahrung oft mit Unbehagen einherging. Auf jeden Fall an diesem Tag. Als man ihr dann aus der Barke und ein paar Schritte die Uferböschung hinaufhalf, standen alle Nachbarn am Fenster, und ich wartete in einem frischgewaschenen Wams am Tor.
    Mein Magen zog sich zusammen, weil ich, abgesehen von gelehrten Gesprächen, nie ein Meister der Unterhaltung gewesen bin, ganz gleich, welchen Standes mein Gegenüber ist.
    Meine Mutter würde im Haus bleiben, falls nicht nach ihr verlangt wurde, inmitten ihres Gebäcks und des Gewürzweins. Wir hatten beide nicht geschlafen, obwohl das nichts mit
ihr
zu tun hatte, die sich gerade einen Handschuh auszog.
    Ein Hauch von Rosenparfum, als ich mich über die Hand beugte, um sie zu küssen.
    Diese langen Finger, weiß wie Perlen, blass wie Eis. Eine unnötig hohe Anzahl von Pikenieren stand unbewegt und mit gesenktem Blick hinter ihr.
    «Grüß Euch, John. Und wie steht es heute um Eure Gesundheit?»
    Was für eine helle, mädchenhafte Stimme. Und, so könnte man denken, fast noch ein wenig unsicher. Etwas, worin ich mich wiedererkannte. Zu viel Zeit im Studierzimmer, hätte mein Vater gesagt – ein typischer Waliser mit beachtlichem Redefluss.
    «Mir geht es ausgezeichnet, Euer Hoheit», sagte ich. «Und ich darf doch hoffen, Ihr … erfreut Euch ebenfalls …»
    Ich schaute noch rechtzeitig auf, um ein Zucken ihres kleinen Erdbeermunds zu bemerken. Nichts, was sich als offenes Lächeln auslegen ließ.
    «Gut», sagte sie. «Dann steht es mit Eurer Erkältung also besser?»
    Die gerade Nase, die weit auseinanderliegenden Augen. Die Hand hatte sie wieder sinken lassen. Die schwache Sonne über ihr zitterte wie das Gelbe eines frisch aufgeschlagenen Eis.
    «Äh … Erkältung?»
    «Die Erkrankung» – ihre Stimme klang nun fester, der Mund erinnerte plötzlich mehr an die fleischigen Lippen ihres Vaters, aber ich konnte nur an einen Messerschnitt im Wachs denken –, «die Euch daran hinderte, am letzten Wochenende bei uns zu weilen.»
    «Ah», sagte ich. «Besser, danke, Madam. Ja … viel besser.»
    «Immer beunruhigend, so eine Erkältung.» Die Königin trug einen Pelzumhang über einem Reitkostüm und dazu eine Pelzmütze. «Insbesondere wenn der lange Winter ächzend zum Ende kommt.»
    «Besser, man lässt sie in den eigenen vier Wänden», erwiderte ich vorsichtig. «Ich meine … anstatt sie hinauszutragen und, ähm, andere Leute anzustecken.»
    «Oder Bären», sagte die Königin.
    Ihre dunklen grauen Augen halb geschlossen. Wie abgedunkelte Räume, und ich dachte:
Du lieber Himmel!
     
    †
     
    Mein Freund Robert Dudley zieht mich damit auf.
    Es ist nichts anderes, als was draußen in der Wildnis geschieht, John. Bären, Hunde, sie alle sind mordende Bestien, und wir sind es auch. Ist ein Teil von uns. Unsere Gattung ist für den Kampf gemacht, alles, was wir besitzen, haben wir im Kampf errungen und dafür getötet. Manchmal sind wir Bären und manchmal Hunde, je nachdem, ob wir nun darum kämpfen, das Unsere zu behalten oder noch mehr an uns zu reißen.
    Ich weise ihn darauf hin, dass erfolgreiche Kriegsführung schon immer mehr mit List, Klugheit und Erfindungsreichtum zu tun hatte als mit blinder Brutalität. Erinnere ihn an die Vorrichtungen, die ich zu diesem Zwecke entwickelt habe, die navigatorischen Hilfsmittel, die unsere Vorherrschaft zur See beschleunigen sollen. Ich sage ihm mit Nachdruck, dass uns die Beobachtung von Bärenkämpfen mit Hunden nichts einbringen wird als den Verlust unserer Menschlichkeit. Im Krieg, sage ich, kämpfen wir, um den Sieg schnell zu erringen, nicht um das Leiden anderer zum Vergnügen zu verlängern.
    Dudley zuckt mit den Schultern.
    Gib es zu, John. Du bist ein Mann des Buches und verkraftest das einfach nicht.
    Gut, es stimmt: Das gequälte Brüllen, das panische Jaulen, dieser entsetzliche Widerhall aus den Vorzimmern des Hades … ich kann sehr gut ohne solche Barbarei leben.
    Doch dann visiert mein Freund und ehemaliger Student mit einem gutmütigen, leicht mitleidigen Lächeln sein Ziel an und sticht zu.
    Du solltest die Königin einmal
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