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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung
Autoren: Georgette Heyer
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eine Glatze bekommen würde. Du bist diejenige, die zu bemitleiden ist!«
    »Kein bißchen! Ich trauere Thornaby nicht nach und wurde nicht geopfert, wie Jane! Nein, und ich lasse nicht zu, daß James auch aus Fanny ein Opfer bei lebendigem Leib macht. Darauf kannst du dich verlassen! Andererseits jedoch, meine Liebe, lasse ich es auch nicht zu – falls ich es verhindern kann –, daß sie sich an den erstbesten Mitgiftjäger wegwirft, der ihr den Hof macht.«
    »Aber das ist er bestimmt nicht!« protestierte Selina. »Er besitzt sehr beträchtliche Güter im Berkshire und stammt aus einer höchst vornehmen Familie. Ich glaube, er kann seinen Stammbaum Hunderte von Jahren zurückverfolgen!«
    »Nun, über seine Ahnen weiß ich nichts, aber nach allem, was ich zu entdecken vermochte, zeichnet sich die derzeitige Familie einzig durch Liederlichkeit aus. Der Ruf dieses Mannes ist schlecht; und James zufolge war sein Vater weit davon entfernt, achtbar zu sein. Was seinen Onkel betrifft: der scheint, nachdem man ihn in Eton hinausgeworfen hat, jede überspannte Torheit ausgekostet zu haben, bis ihn seine Familie nach Indien verfrachtete, mit dem Befehl, ihr nie wieder unter die Augen zu kommen. Die Besitzungen sind, wie George sagt, schwer belastet. Und wenn du glaubst, daß alle diese Umstände Stacy Calverleigh zu einem passenden Bewerber machen – «
    »O nein, nein, nein!« rief Selina verzweifelt aus. »Nur kann ich einfach nicht glauben, daß der arme Calverleigh – und es dünkt mich immer höchst ungerecht, daß die Sünden der Väter an den Kindern gerächt werden. Wenn es dann noch dazu ein ausgesprochen verdorbener Onkel ist! So einnehmende Manieren, und immer genau das richtige Gefühl, außerdem taktvoll und – oh, ich glaube es nicht!«
    »Nun, das alles hat George gesagt, und du mußt zugeben, der ist überhaupt nicht prüde, zum Unterschied von James.« Abby schwieg und überlegte stirnrunzelnd. »Und dabei würde ich annehmen, daß ein Wüstling eigentlich ein gewinnendes Wesen haben muß – du nicht auch?«
    »Abby!« Selina stockte der Atem. »Ich muß dich doch sehr bitten, deine Zunge zu hüten! Wenn dich jemand hörte!«
    »Aber es kann mich ja niemand außer dir hören«, erklärte Abby. »Und alles, was ich gesagt habe, war nur – «
    »Ich weiß nichts über diese Sorte von Menschen!« unterbrach sie Selina hastig.
    »Nein, ich auch nicht« sagte Abby mit leichtem Bedauern. »Außer natürlich dem, was ich gelesen habe, und dem unterhaltsamen Menschen, der auf einem Ball bei den Ashendens war – oh, vor Jahren! Papa sagte, er würde keiner seiner Töchter erlauben, daß sie auch nur ein einziges Mal mit einem solchen Burschen tanzt. Nur hatte ich es bereits getan, und sehr angenehm war es außerdem gewesen! Ich weiß nicht, ob er ein Wüstling war, aber ich weiß, daß er entsetzlich geflirtet hat – und nicht etwa, weil Rowland es mir erzählte! In seiner überheblichen Art, in der er ganz der Papa war – du weißt ja!«
    Es war offenkundig, daß Miss Selina Wendover entschlossen war, was immer sie wissen mochte, zu vergessen. Unter Aufbietung aller Autorität ihrer Jahre sagte sie im Ton ernstesten Tadels: »Muß ich dich erst daran erinnern, Abigail, daß der liebe Rowland tot ist?«
    »Nein, und du brauchst mich auch nicht daran zu erinnern, daß er unser ältester Bruder war. Oder mich bei diesem abscheulichen Namen nennen! Was immer ich Papa verzeihen könnte, den niemals! Abigail! Die Bezeichnung für Zofen!«
    »Einige Leute halten es für einen reizenden Namen«, sagte Selina und warf Abby einen listigen Blick zu. »Einer von ihnen ist Kanonikus Pinfold, der außerdem auch dich für reizend hält. Er sagt, der Name komme aus dem Hebräischen und bedeute ›der Vater frohlockte‹.
    Nach kurzer Verblüffung brach ihre unverbesserliche Schwester in lautes Gelächter aus. Es dauerte eine Zeitlang, bis sie hervorbrachte: »D-das k-kann P-papa einfach nicht gewußt haben! Er w-wollte d-doch noch einen Sohn!« Als sie endlich zu lachen aufhören konnte, raubte ihr Selinas schmerzlich vorwurfsvoller Blick fast wieder die Fassung. Sie biß sich auf die Lippen und sagte mit etwas schwankender Stimme: »Kümmere dich nicht um mich. Du weißt ja, wie ich bin. Und was, in aller Welt, hat das alles mit Fanny zu tun? Selina, ich merke, daß du entschieden eine Schwäche für Calverleigh hast, aber selbst wenn er die begehrenswerteste Beute auf dem Heiratsmarkt wäre, gefiele es mir trotzdem
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