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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung
Autoren: Georgette Heyer
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unnatürlich«, sagte Abby aufrichtig. »Jedes Mädchen zieht die Gesellschaft eines fesselnden jungen Mannes der ihrer Tante vor. Aber es geht nicht, Selina.«
    »Ich bin überzeugt, wenn du einmal seine Bekanntschaft gemacht hast – nicht daß ich sie auch nur einen Augenblick lang ermutigen würde – oh, wie rührend das Ganze ist! Aber sagen wirst du es ihr müssen, denn ich weiß, ich könnte es nie übers Herz bringen.«
    »Liebste, so schrecklich ist es nicht, daß du dir Kummer machen müßtest. Sicherlich ist es eine unglückliche Affäre, und ich wünsche von ganzem Herzen, daß ihr eine so schmerzliche Enttäuschung erspart bliebe, aber sie wird es überwinden. Und ihr verbieten, Calverleigh zu sehen, oder ihr das zu erzählen, was man von ihm spricht – so eine Gans bin ich nicht! Sie würde mit fliegenden Fahnen zu seiner Verteidigung eilen! Aber was wäre, wenn er sich zurückzieht? Nicht aus Zwang, sondern weil er entdeckt, daß sie nicht so ein reiches Prachtexemplar ist, wie er annimmt? Sie wird vielleicht etwas unglücklich sein, aber nicht lange. Die Sorte Mädchen ist sie nicht, die um eines bloßen Flirts willen schwermütig wird!« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Und unter diesen Umständen kann sie sich doch nicht einbilden, daß sie eine unglückliche Liebende sei, nicht? Ich habe wirklich das Gefühl, das müßte um jeden Preis vermieden werden. Wenn ich auch selbst nie blind verliebt war, so kann ich doch ohne weiteres begreifen, wie romantisch es sein kann. Selina, ich habe Fannys Mutter nie richtig gekannt, aber du mußtest sie doch eigentlich kennen. War sie so ein Feuergeist wie Fanny? War sie vielleicht zu stürmisch, um den Vorstellungen der Wendover von Anständigkeit zu entsprechen?«
    »Celia? Lieber Himmel, nein!« antwortete Selina. »Sie war sehr hübsch – wirklich lieblich als Mädchen, aber später hat sie sehr verloren, was ich hoffe und bete, daß es bei Fanny nicht so wird, denn im Gesicht sieht sie ihr sehr ähnlich. Und Mama pflegte immer zu sagen, blonde Schönheiten halten sich nur selten. Aber im Wesen ist Fanny ihr nicht im geringsten ähnlich. Sie ist so lebhaft, die arme Celia war ein sehr stilles, schüchternes Mädchen, und höchst beeinflußbar. Warum fragst du mich nach ihr?«
    »Da war etwas, das’ James gesagt hat. Ich habe es nicht sehr beachtet, aber es bezog sich auf Fannys zu große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Und dann schwieg er ganz plötzlich. Als ich ihn fragte, was er meine, speiste er mich damit ab, daß er sagte, Fanny sei genauso töricht wie ihre Mutter. Aber ich glaube nicht, daß er in Wirklichkeit das gemeint hat, und Mary auch nicht. Sie erinnert sich natürlich an mehr als ich, und sie erzählte mir, daß ihr Älteren immer der Meinung wart, es hätte sich irgend etwas abgespielt – vielleicht irgendeine Unklugheit – «
    »So etwas habe ich nie geglaubt!« unterbrach sie Selina energisch. »Und wenn schon, dann hätte ich es für höchst unanständig gehalten, herumzuschnüffeln. Hätte Mama gewünscht, daß ich etwas darüber erfahre, dann hätte sie es mir erzählt.«
    »Also war doch irgend etwas los!« sagte Abby. »Ein Skelett in unserem ehrbaren Familienschrank! Wenn ich bloß erfahren könnte, was es war. Aber bestimmt würde sich dann herausstellen, daß es nur das Skelett einer Maus war.«

2
    Kurz nach elf ertönte leises Klopfen an Abbys Schlafzimmertür, und gleich darauf trat Miss Fanny Wendover ein. Sie lugte zuerst vorsichtig ins Zimmer, als sie jedoch ihre Tante vor dem Toilettentisch sitzen sah, quietschte sie freudig auf, lief zu ihr, warf sich in Abbys Arme und rief aus: »Du bist noch nicht im Bett und schläfst! Ich habe es doch der Grimston gesagt! Wie ich mich freue, dich wiederzusehen! Ich hab dich so vermißt, liebe, liebe Abby!«
    Es hätte Abby nicht überrascht, wenn sie mit Zurückhaltung begrüßt worden wäre, sogar in der vorsichtigen, halb trotzigen Art eines Mädchens, das Kritik erwartet und bereit ist, sich zu verteidigen. Aber in der ihr gezollten Begrüßung war keine Spur von Verlegenheit, und nichts als Liebe stand in den schönen Augen, die sich so unschuldig zu den ihren erhoben, als sich Fanny zu Abbys Füßen niederließ und ihre Hände umfing.
    »Ohne dich ist es gräßlich!« sagte Fanny und drückte Abbys Hände. »Das kannst du dir nicht vorstellen!«
    Abby beugte sich nieder und küßte Fanny auf die Wange, sagte aber mit spöttischem Mitleid: »Mein ärmer Liebling! So streng und
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