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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes
Autoren: Steven Erikson
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Landung«, erwiderte der Hauptmann. »Es gibt überhaupt keine Spuren, weder zum Meer hin noch landeinwärts. Aber es gibt noch mehr Tote, Mandata. Bauern, Fischer, Reisende, die auf der Straße unterwegs waren. Alle in Stücke gerissen, ihre Gliedmaßen verstreut - Kinder, Vieh, Hunde.« Er verstummte und wandte sich ab. »Mehr als vierhundert Tote«, sagte er mit krächzender Stimme. »Wir wissen die genaue Zahl noch nicht.«
    »Natürlich«, sagte Lorn. Ihr Tonfall verriet nichts von ihren Gefühlen. »Und es gibt keine Zeugen?«
    »Nein, keinen einzigen.«
    Ein Mann kam unten auf der Straße auf sie zugeritten. Er saß weit vornübergebeugt im Sattel und sprach die ganze Zeit auf sein Pferd ein, während er das verängstigte Tier mitten durch das Gemetzel lenkte. Vögel flogen laut kreischend vor ihm auf, um sich wieder auf den Kadavern niederzulassen, sobald er vorbei war.
    »Wer ist das?«, fragte die Mandata.
    »Leutnant Ganoes Paran«, brummte der Hauptmann. »Aus Unta. Er ist neu in meinem Kommando.«
    Lorn betrachtete den jungen Mann aus leicht zusammengekniffenen Augen. Er hatte am Rand der Senke Halt gemacht, um den dort Arbeitenden Befehle zu erteilen. Dann richtete er sich im Sattel auf und blickte in ihre Richtung. »Paran. Aus dem Haus Paran?«
    »Hmm, richtig alter Adel, mit allem, was dazugehört.«
    »Ruft ihn her.«
    Der Hauptmann winkte, und der Leutnant drückte seinem Reittier die Fersen in die Flanken. Einen Augenblick später zügelte er es neben ihnen und salutierte.
    Pferd und Reiter waren von Kopf bis Fuß mit Blutspritzern und kleinen Fleischfetzen bedeckt. Fliegen und Wespen umschwirrten beide aufgeregt. Lorn konnte in Leutnant Parans Gesicht nichts von der Jugend entdecken, die eigentlich dort hingehörte. Davon einmal abgesehen, war es ein Gesicht, das man sich durchaus anschauen konnte.
    »Habt Ihr die andere Seite überprüft, Leutnant?«, fragte der Hauptmann.
    Paran nickte. »Jawohl, Hauptmann. Am Fuße des Vorgebirges befindet sich ein kleines Fischerdorf, vielleicht ein Dutzend Hütten. Außer in zweien liegen in allen Leichen. Die meisten Boote scheinen da zu sein; ein Liegeplatz ist allerdings leer.«
    »Beschreibt mir die leeren Hütten, Leutnant«, mischte Lorn sich ein.
    Er schlug nach einer allzu aufdringlichen Wespe, bevor er antwortete. »Eine liegt ziemlich weit oben am Strand, direkt an dem Pfad, der zur Straße führt. Wir glauben, dass sie der alten Frau gehört, die wir ungefähr eine halbe Länge südlich von hier tot auf der Straße gefunden haben.«
    »Wie kommt Ihr darauf?«
    »Weil die Dinge, die wir in der Hütte gefunden haben, zu einer alten Frau passen, Mandata. Außerdem scheint sie häufig Kerzen angezündet zu haben. Talgkerzen, genauer gesagt. Die alte Frau auf der Straße hatte einen Sack voller Rüben und eine Hand voll Talgkerzen bei sich. Talg ist hier teuer, Mandata.«
    »Wie oft seid Ihr schon durch dieses Schlachtfeld geritten, Leutnant?«, fragte Lorn.
    »Oft genug, um mich daran gewöhnt zu haben«, antwortete Paran und verzog dabei das Gesicht.
    »Und was ist mit der zweiten leeren Hütte?«
    »Die gehörte wahrscheinlich einem Mann und einem Mädchen. Sie liegt nahe an der Flutlinie, genau gegenüber von dem leeren Liegeplatz.«
    »Und keine Spur von den Bewohnern?«
    »Nichts, Mandata. Natürlich finden wir immer noch neue Leichen, entlang der Straße oder auf den Feldern ...« »Aber nicht am Strand.« »Nein.«
    Die Mandata runzelte die Stirn. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass beide Männer sie beobachteten. »Hauptmann, mit was für Waffen sind Eure Soldaten getötet worden?«
    Der Hauptmann zögerte, warf dem Leutnant schließlich einen auffordernden Blick zu. »Ihr seid dort unten rumgekrochen, Paran. Dann lasst mal Eure Meinung hören.«
    Paran antwortete mit einem knappen Lächeln. »Jawohl, Hauptmann. Natürliche Waffen, Hauptmann.«
    Der Hauptmann verspürte ein flaues Gefühl im Magen. Er hatte gehofft, er hätte sich vielleicht getäuscht.
    »Was meint Ihr mit ›natürlichen Waffen‹?«, fragte Lorn.
    »Zähne ... große, scharfe Zähne ...«
    Der Hauptmann räusperte sich. »Es hat in Itko Kan seit mehr als hundert Jahren keine Wölfe mehr gegeben. Wie dem auch sei, keiner der Kadaver ...«
    »Wenn das Wölfe waren«, sagte Paran und drehte sich um, damit er einen Blick auf das Schlachtfeld werfen konnte, »müssen sie so groß gewesen sein wie Maultiere. Und es gibt keine Spuren, Mandata. Noch nicht einmal ein
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