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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes
Autoren: Steven Erikson
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Fellbüschel.«
    »Also keine Wölfe«, sagte Lorn.
    Paran zuckte die Achseln.
    Die Mandata holte tief Luft, hielt einen Moment den Atem an und atmete mit einem leisen Seufzen wieder aus. »Ich möchte dieses Fischerdorf sehen.«
    Der Hauptmann griff nach seinem Helm, aber die Mandata schüttelte den Kopf. »Es reicht, wenn Leutnant Paran mich begleitet, Hauptmann. Ich würde vorschlagen, Ihr übernehmt in der Zwischenzeit persönlich das Kommando über Eure Leute. Die Toten müssen so schnell wie möglich weggeschafft werden. Alle Hinweise auf dieses Massaker müssen beseitigt werden.«
    »Verstanden, Mandata«, sagte der Hauptmann und hoffte, dass ihm die Erleichterung nicht anzuhören war.
    Lorn wandte sich an den jungen Adligen. »Nun, Leutnant?«
    Er nickte und setzte mit einem Zungenschnalzen sein Pferd in Bewegung.
    Als die Vögel in Scharen vor ihnen aufflogen, stellte die Mandata fest, dass sie den Hauptmann beneidete. Die aufgeschreckten Aasfresser gaben den Blick auf einen Flickenteppich aus Rüstungsteilen, Knochen und Fleisch frei. Die Luft war heiß und schwül, und es stank widerlich. Sie sah Soldaten, deren immer noch behelmte Köpfe von gewaltigen, unglaublich starken Kiefern zermalmt worden waren. Sie sah in Fetzen gerissene Rüstungen, zerschmetterte Schilde und ausgerissene Arme und Beine. Lorn ertrug es nur wenige Minuten, das Szenario um sie herum sorgfältig zu betrachten, dann richtete sie - unfähig, das Ausmaß dieses Gemetzels zu erfassen -den Blick auf das Vorgebirge, das ein Stück vor ihnen lag. Ihr Hengst, der einer besonders edlen Zucht aus dem Reich der Sieben Städte entstammte und ein echtes Schlachtross und der Spross einer langen Ahnenreihe von für Kampf und Krieg ausgebildeten Vorfahren war, hatte seinen stolzen, unnachgiebigen Schritt verloren und setzte sorgfältig Huf vor Huf.
    Lorn spürte, dass sie Ablenkung brauchte. Zum Beispiel, indem sie mit dem Leutnant ein Gespräch begann. »Habt Ihr schon Eure Bestallung erhalten, Leutnant?«
    »Nein, Mandata. Aber ich gehe davon aus, dass ich in der Hauptstadt stationiert sein werde.«
    Sie wölbte eine Augenbraue. »Ah, ja. Und wie wollt Ihr das hinkriegen?«
    Paran blickte starr geradeaus; ein dünnes Lächeln spielte um seine Lippen. »Das wird schon arrangiert werden.«
    »Ich verstehe.« Lorn schwieg einen Moment. »Die Adligen haben eine ganze Weile darauf verzichtet, nach Posten in der Armee zu streben, und stattdessen die Köpfe eingezogen, nicht wahr?«
    »Seit den Anfängen des Imperiums. Der Imperator war uns nicht besonders gewogen. Die Imperatrix scheint hingegen andere Interessen zu haben.«
    Lorn betrachtete den jungen Mann. »Ich stelle fest, dass Ihr es liebt, Risiken einzugehen, Leutnant«, sagte sie. »Oder aber Ihr geht in Eurer Anmaßung so weit, sogar die Mandata der Imperatrix herauszufordern. Vertraut Ihr so sehr auf die Unbesiegbarkeit Eures Blutes?«
    »Seit wann ist es anmaßend, die Wahrheit zu sagen?«
    »Ihr seid wirklich noch sehr jung, nicht wahr?«
    Das saß. Paran stieg das Blut in die glatt rasierten Wangen. »Mandata, die vergangenen sieben Stunden bin ich knietief durch Blut und Körperteile gewatet. Ich habe mit Krähen und Möwen um Leichen gekämpft. Wisst Ihr, was diese Vögel hier tun? Ich meine, wisst Ihr es wirklich? Sie streiten sich um die Fleischfetzen, die sie aus den Leichen reißen. Sie werden dick und fett von Augäpfeln und Zungen, Lebern und Herzen. In ihrer rasenden Gier werfen sie die Fleischstückchen wild durch die Gegend ...« Er verstummte, riss sich sichtlich zusammen, während er sich im Sattel aufrichtete. »Ich bin nicht mehr jung, Mandata. Und was meine anmaßenden Worte betrifft -nichts könnte mir gleichgültiger sein. Man kann hier draußen nicht um den heißen Brei herumreden, jetzt nicht und niemals wieder.«
    Sie erreichten den Hang auf der gegenüberliegenden Seite. Zur Linken führte ein schmaler Pfad hinunter zum Meer. Paran deutete darauf und lenkte sein Pferd in die angegebene Richtung.
    Lorn folgte ihm; sie war in nachdenkliches Schweigen versunken und starrte den breiten Rücken des Leutnants an. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Weg, auf dem sie dahinritten. Der schmale Pfad zog sich am Steilufer entlang. Zur Linken fiel das Gelände etwa sechzig Fuß steil zu den Felsen ab. Es war Ebbe, und die Wellen brachen sich an einem Riff ein paar hundert Schritt vor dem Ufer. In unzähligen Felsspalten und Vertiefungen stand Wasser, in dem sich matt
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