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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes
Autoren: Lauren Grodstein
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stimmt«, sagte ich, »wenn das so ist, wie die hier schreiben, ist das sehr gefährlich.«
    »Wirklich?«
    »Der Kalte Krieg war Stillstand, Elaine. Wir und sie, Gut und Böse. Instabilität, vor allem in diesem Teil der Welt, ist gefährlich. Das macht mir Sorgen. Keine Riesenangst, aber Sorgen.«
    Sie nickte, sah wieder in die Zeitung. »Ich verstehe, was du meinst.«
    »Noch mal, keine Riesenangst.«
    »Nein«, sagte sie. »Natürlich nicht.«
    Normalerweise mochte ich diese Verantwortung: Im Allgemeinen verließ meine Frau sich auf mein Urteil über Fragenvon internationaler Bedeutung genauso, wie sie sich darauf verließ, dass ich die Rechnungen bezahlte oder den Klempner bestellte. Das lag wohl daran, dass ich immer Autorität in der Stimme hatte und dass ich richtig und falsch immer klar zu unterscheiden wusste. Früher schätzte Elaine das an mir. Noch bis vor kurzem, bis zu meinen jüngsten Problemen, wusste ich immer ziemlich genau, wann Gutes aus etwas entstehen würde und wann Schlechtes, und stellte mich entsprechend darauf ein.
    »Na«, sagte Elaine, »dann werd ich mir auch mal nicht zu viele Sorgen machen«, und drückte meine Hand.
    Ein paar Minuten später kam Iris aus der Küche, ihre beiden jüngeren Kinder wie Entenküken hinterdrein, die Kleine, Pauline, auf dem Arm. »Das ist ja ein mieses Wetter heute«, sagte sie. »Sollen wir uns ein paar Filme ausleihen?«
    »Filme!«, wiederholte Adam, ihr jüngerer Sohn. Unweit der Promenade gab es einen Videoverleih, der über Unmengen von Märchenfilmen für Kinder und, hinter einem schwarzen Vorhang, ein überraschend umfangreiches Sortiment für Erwachsene verfügte, das Elaine und ich im Jahr zuvor übermütig und kühn, wie wir fanden, erkundet hatten.
    »Pete sagt, ein instabiles Russland sei gefährlich.« Elaine faltete ihre Zeitung zusammen. »Ich finde, wir sollten uns einen Film holen.«
    »Natürlich sieht Pete es so.« Iris griente, als Neal, der ältere ihrer beiden Jungen, mir einen vielsagenden Blick zuwarf. »Pete mag es, wenn alles bleibt, wie es ist.«
    »Eigentlich nicht«, sagte ich. »Ich bin bloß nicht sicher, ob es unbedingt in unserem strategischen Interesse liegt, wenn die Sowjetunion so sang- und klanglos untergeht.«
    Iris brach in ihr typisches rauhes Gelächter aus, das einen auf die Palme brachte, und ihre Kinder durchsuchten die Zeitungen auf dem Tisch nach den Comics. Iris ließ Pauline herunter,und die Kleine krabbelte zurück ins Haus. »In unserem strategischen Interesse, Pete?«
    »Was stört dich daran?«
    »Das ist eine gute Nachricht.«
    »Wir wissen noch nicht, was für eine Nachricht das ist.«
    »Entspann dich, wir sind im Urlaub, unsere Kinder sind glücklich, die Welt erweist sich doch noch als interessanter Ort.« Iris trug ihren Bikini und darüber eins von Joes Flanellhemden, ein Tribut an das schlechter werdende Wetter. Ihr rötliches Haar hatte sie mit einer Spange hochgesteckt, und die Sonnenbrille klemmte zwischen ihren Brüsten am Bikini.
    »Normalerweise weiß Pete, woher der Wind weht«, sagte meine Frau, und dafür liebte ich sie.
    »Erinnerst du dich noch an unser zweites Studienjahr?«, fragte Iris. »Er wollte nicht mit zu der Demonstration nach Washington aus Angst, das würde ihm beim Medizinstudium schaden.«
    »Was hat das denn damit zu tun?«, sagte ich. »Außerdem musste ich studieren.«
    »Ich weiß, Schatz«, sagte Iris. Sie verwuschelte mir das Haar – im Gegensatz zu ihrem Mann hatte ich noch einen vollen Schopf – und ließ sich neben mir an dem Klapptisch nieder. »Ich mach nur Spaß.«
    »Lass es trotzdem.«
    Sie lachte wieder. Ob Iris mich aufzog, weil sie wusste, dass ich ihr nie ernsthaft böse sein würde? Sie faltete Neal aus einer Zeitung einen Hut. Elaine lächelte mir über ihre Zeitung hinweg zu, Adam stibitzte Neal den Hut, und das Möwengekreisch, das nachgelassen hatte, wurde wieder lauter. Ich war rot geworden, klar – ich mochte es noch nie, aufgezogen zu werden –, kramte die Sportseite hervor und suchte nach den Ergebnissen der Yankees, da die Saison fürmeine Nets noch nicht wieder angefangen hatte. Elaine stand schließlich auf und schenkte Kaffee nach, Joe kam mit einem neuen Teller Zimtbrötchen an, Alec war aufgestanden, kam auf die Veranda geschlurft und fragte mich, ob ich zur Driving Range wollte. Wollte ich. Was wir an dem Tag noch gemacht haben, weiß ich nicht mehr. Ich bin sicher, beim Abendessen hatten wir auch schon wieder andere Themen als die
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