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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes
Autoren: Lauren Grodstein
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üppigen, fast hektargroßen Grundstücken, bebaut mit Tudor-Palästen, Haciendas im spanischenStil oder georgianischen Anwesen mit Hubschrauberlandeplätzen und Riesenpools. Wir haben Berühmtheiten da oben wohnen, zwei, drei bekannte Rap-Stars, den Vorstand eines Krankenhauses und eine Handvoll Dermatologen, Plastische Chirurgen und Orthopäden.
    In Manor, wo Elaine und ich wohnen, haben die Grundstücke handlichere Dimensionen, sind höchstens einen guten Viertelhektar groß. Die Häuser sind überwiegend viktorianisch oder im Kolonialstil, einige sind mit Schindeln aufgehübscht, außerdem findet man ein paar »moderne« aus den Achtzigern mit Birkenholzverkleidung an den Dachschrägen und trapezförmigen Fenstern. Downtown ist wörtlich zu nehmen, hier beginnt die Maycrest Avenue, und hier sind unser Krankenhaus, unser Kleingewerbe, unsere Schwarzen und die staatliche Schule, in die aus unserem Bekanntenkreis niemand seine Kinder schickt.
    Nach Bier stinkend und mit verkrustetem Blut an der Jeans biege ich auf die Einfahrt zu dem hellgrünen viktorianischen Haus in der Pearl Street ein, in dem Elaine und ich seit 1982 wohnen. Wir haben es damals für 125 000 Dollar mit Stoßgebeten und angehaltenem Atem gekauft. Bert Birch hatte mir eine Teilhaberschaft mit Vorzugskonditionen im Round Hill Medical Center angeboten, und obwohl Elaine und ich insgeheim dachten, nein, nicht hier, wir kennen hier niemanden, wie sollen wir das finanziell bewältigen?, behielten wir unsere Zweifel für uns und zogen ein. Nachdem Joe sein Studium in Gynäkologie und Geburtshilfe als Baltimore-Stipendiat abgeschlossen hatte, überredeten wir ihn und Iris, hierher zu ziehen. Was sie auch taten, und wir atmeten das erste Mal ein bisschen auf. Das ganze erste Jahr lang hatten wir uns isoliert gefühlt und waren nervös gewesen und hatten außerdem aus irgendeinem Grund versucht, ein Kind zu zeugen.
    Ich parke den Escort und sehe zu unserem Haus hinüber.Elaines Jeep steht in der Einfahrt, Alecs Civic ebenfalls. Ob die zwei so etwas Vergnügliches machen, wie den Nachmittag zusammen verbringen oder das Wochenend-Kreuzworträtsel gemeinsam lösen? Elaine ist selig, unseren Sohn wiederzuhaben. Ehrlich gesagt ist er ein besserer Mitbewohner, als ich es je war, ist netter, rücksichtsvoller, und ihm gefällt meistens, was seine Mutter tut. Abends im Atelier höre ich, wie sie ihre Lieblingsmusik spielen: die eine kubanische Band aus dem Film, ein bisschen afrikanisch. Alec hat sie von einem Freund, der eine Zeitlang beim Friedenskorps gearbeitet hat. Für mich klingt das wie das Hintergrundgedudel in einem Edelrestaurant, aber wen interessiert schon, was ich denke. Die beiden jedenfalls nicht. Warum auch.
    Ob Roseannes Bruder hier aufkreuzt? Ob er weiß, wo meine Frau und mein Sohn schlafen? Richtet sich sein Zorn auch gegen sie oder nur gegen mich? Ich fahre mir mit der Hand über das blutige Bein und entferne ein Schottersteinchen. Ich war feige, aber das war der junge Craig auch. Mit Bierdosen zu werfen. Mich zu beschimpfen.
    Ich kurbele das Fenster herunter. Im Haus ist es still, obwohl hinter der Wohnzimmerjalousie eine Lampe brennt. Nachgemachte Tiffany-Lampen, die wir während der Renaissance unserer Ehe in Bedford gekauft haben, sechs Jahre ist das jetzt her. Seitdem löst Elaine die Kreuzworträtsel immer in ihrem Schein. Wenn Craig hier gewesen ist, wenn er vor dem Haus gestanden hat, hat er sie womöglich dort sitzen sehen. Wenn er sie anrührt, auch nur daran denkt, sie anzurühren, töte ich ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, das schwöre ich bei Gott.
    Elaine und ich kennen uns jetzt schon länger als unser halbes Leben. Sie hat auf mich aufgepasst. Passt immer noch auf mich auf, trotz der Zweifel, die sie leider an mir hat. Während ich zum Haus hinsehe, gehen die Tiffany-Lampen aus, undkurz darauf steht meine Frau mit Jacke, Tasche und Schlüssel an der Haustür und sieht zu mir in meinem kleinen weißen Escort herüber. Ich winke ihr. Sie zwinkert, lächelt traurig und winkt zurück. Sie trägt ihr Haar schon seit ein paar Jahren kurz, und sie hat vierzig Pfund zugelegt, aber ich weiß noch, wie sie mir damals am College nicht von der Seite gewichen ist, wie sie in Rehoboth Zimtbrötchen gegessen hat, und wenn ich die Zeit zurückdrehen und sie noch mal durchleben könnte, wäre jeder Tag ein Neubeginn.
    »Kommst du rein?«, ruft sie von der obersten Treppenstufe an der Haustür herüber.
    »Gehst du weg?«
    Sie legt sich die
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