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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund
Autoren: Birgit Vanderbeke
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Vitrine hinter ihrem Sofa und sagte, ich habe eine Schwäche für schöne Sachen.
    Ziehen Sie doch Ihre Schuhe aus, sagte sie dann.
    Es war eine Einladung, ihr Zimmer zu betreten.
    Gern, sagte Pola erleichtert.
    Während Jule von der Show und dem Service erzählte, unzerbrechliches Luminose-Material, Kornblume oder Mohn, schaute Pola sich Jules schöne Sachen an. Sie war befremdet.
    Da war ein herzförmiger Schmetterlingsschmuckteller, der aufrecht an der Wand lehnte, und davor war ein sonderbares Sammelsurium drapiert. Runde Holzkästchen, mit Phantasievögeln und Orchideen bemalt, verschiedene Blech- und Holzdosen, manche lackiert, manche mit Blumenapplikation, ein paar Schüsseln, eine gelb lackierte Handtasche, eine scheußliche kleine vergoldete Standuhr, ein paar Gläser, etliche Tassen und Becher, zwei Puppen, die eine im Anzug, die andere im weißen Hochzeitskleid, dann noch Stofftiere, Teddybär, Krokodil, ­Papagei, sowie zwei verschnörkelte Kerzenständer.
    Pola sah ihren Hund an und strich ihm über den Kopf. Sie dachte daran, dass Zsazsa, ganz brav, keinen Mucks von sich gegeben hatte, obwohl sie halb verhungert sein musste nach den beiden Tagen, in denen sie durch den Wald gestolpert waren und Pola gedacht hatte, sie würden nie aus dem Dickicht finden.
    Es war klar, dass Jule Tenbrock in ihrem Element war, wenn sie von den schönen Dingen sprach, die sie schon gewonnen hatte und die sie noch vorhatte zu gewinnen, sie hätte stundenlang weiter davon ­erzählen können, aber Pola unterbrach die Erzählung.
    Ich will nicht unhöflich sein, sagte sie, als Jule Tenbrock eine Pause machte, aber könnten wir wohl ein Stück Brot haben.
    Jule Tenbrock hörte auf zu reden und sah plötzlich aus der Bahn geworfen und entgeistert aus. Sie antwortete nicht.
    Sie ist schockiert, dachte Pola.
    Brot jedenfalls schien es in ihrer Welt der Shows und schönen Dinge nicht zu geben, und als Pola vorsichtig sagte, vielleicht ein Glas Milch, sah Jule Tenbrock aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen, aber schließlich fing sie sich und sagte, vielleicht mögen Sie einen Kaffee.
    Danke, gern, sagte Pola, und wenn Sie etwas Wasser hätten.
    Zum Kaffee noch dazu, fragte Jule.
    Pola öffnete ihren Rucksack und zog eine Schüssel hervor, die ganz oben auf ihren Sachen lag.
    Für den Hund, sagte sie und sah, wie ihre Gast­geberin allein bei dem Wort schon erstarrte.
    Wo kommen Sie her, fragte Jule Tenbrock dann.
    Pola spürte, dass sie das nicht aus Neugier sagte, sondern bloß, weil sie irgendetwas sagen wollte, während sie Kaffeepulver in einen Becher tat und im Bad heißes Wasser darüberlaufen ließ. Anschließend rührte sie ein Tütchen weißes Pulver hinein. Auf dem Tütchen stand »Kaffeeweißer ohne Laktose«, auf dem Becher »Guten Morgen, ihr Lieben«, darunter »wünscht Kabel 7«.
    Pola, nachdem sie die Aufschriften gelesen hatte, sagte langsam, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wirklich wissen wollen.
    Was, sagte Jule. Sie hatte ihre Frage längst vergessen.
    Wo ich herkomme, sagte Pola.
    Jule Tenbrock musste so Mitte zwanzig sein.
    Doch, will ich, sagte sie, aber Pola schüttelte nur den Kopf.
    Jule betrachtete das Pflaster mit dem Polyhexanid, das sie über Polas Auge geklebt hatte.
    Nein, sagte sie, Sie haben recht. Ich will’s gar nicht wissen. Wasser gibt’s im Badezimmer, bedienen Sie sich. Auf dem Waschbecken steht das Vaporix. Und nehmen Sie den blauen Lappen.
    Bio-Dekontamination, dachte Pola, während sie später über die Kacheln wischte, nachdem Zsazsa getrunken hatte, als wäre sie am Verdursten gewesen.
    Schließlich fiel Jule Tenbrock wieder ein, dass die Frau und der Hund Hunger hatten. Ich hätte da noch die Komplettbox, sagte sie und holte eine Schachtel aus ihrer Handtasche. Das wäre mir jetzt sowieso viel zu viel.
    In Anwesenheit des Hundes und wegen Zsazsas nasser Nase war ihr der Appetit vergangen.
    Käsecracker, sagte sie, als sie den Deckel von ­einem der drei Kartons ihrer Essensschachtel hochklappte, und endlich: Ziehen Sie doch Ihren Mantel aus, und setzen Sie sich. Sie zeigte auf einen Sessel.
    Danke, sehr nett, sagte Pola und behielt den Mantel an, als sie sich setzte.
    In dem Moment, als sie den weichen Sessel unter sich fühlte und darin versank, gab irgendetwas in ihr nach, was sie bis eben aufrecht gehalten
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