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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund
Autoren: Birgit Vanderbeke
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im Keller ihrer Villa fand, war sie überglücklich und klatschte in die Hände wie ein Kind.
    Originalverpackt, sagte sie immer wieder.
    Abramowski liebte es, mit Zsazsa durch die Gegend zu streifen, durch die überwucherten Gärten und Parks, er beobachtete Drosseln, Stare und Meisen, wie sie sich gründlich über Beeren hermachten, über Hagebutten und Pfaffenhutfrüchte, wie sie unter den Bäumen nach Samen und Käfern pickten, er hörte oben in den Baumkronen riesige Elstern krächzen, und Zsazsa machte Jagd auf die wilden Katzen, die zwischen den Häusern durchs Gras schlichen, um eine Drossel, einen Star, eine Meise zu erwischen, aber niemals machte sie Beute.
    Abramowski allerdings machte Beute.
    Bist du mit dem Nussbaum fertig, fragte Pola, hast du bei den Gleisen nachgeschaut, ob der Rosenkohl noch steht? Und wenn ich mich richtig erinnere, wachsen in der Mendelssohnstraße Birnen und Mirabellen.
    Timon sagte, Pinkus hat mich vor der Mendelssohnstraße gewarnt, da soll sich ein Irrer herumtreiben.
    Hier treiben sich überall Irre rum, sagte Pola, was glaubst du, warum ich hier weg bin.
    Dann lachte sie und sagte fröhlich, aber jetzt bist du ja da.
    Sie war ungeheuer jung und energisch, und Timon war sicher, es war ihre Schwangerschaft, es war das Kind, das sie so energisch machte, ein Kind, das offen­bar keinen Vater hatte, jedenfalls sprach sie niemals davon, sondern sah nach vorn in eine Zukunft, in der sie nicht nur für Zsazsa, sondern auch für ihr Kind sorgen würde. Um keinen Preis der Welt würde Pola ihren Hund und ihr Kind der Stiftung überlassen.
    Es war sonderbar neu und zugleich vertraut für ­Timon, hier draußen zu sein und für alles sorgen zu müssen.
    Sie blieben meistens zwei, drei Tage in der Villa, weil der Weg durch den Wald beschwerlich war. ­Eines Abends, als Pola im Kamin das Feuer anmachte, erwähnte sie beiläufig, dass es im Berlenbach Forellen und Schleien gebe.
    Forellen wohl kaum, sagte Abramowski, meines Wissens sind Forellen seit Jahren ausgestorben.
    So was, sagte Pola. Wieso gibt es sie dann im Berlenbach.
    Seit der Dactylogyrus-Epidemie, kannst du dich nicht erinnern, sagte Timon, das große Fischsterben damals.
    Papperlapapp, sagte Pola. Hat meine Großmutter immer gesagt.
    Im ersten Stockwerk lagen mehrere Schlafzimmer und Bäder, und von da führte noch eine Treppe hoch in eine Mansarde, die offenbar als Büro gedient hatte, allerdings war der schwarze Ledersessel fleckig, der Teppich vergammelt, und die Decke war nass, stellenweise sehr nass.
    Was für eine Schlamperei, sagte Abramowski laut, als er die nasse Stelle sah, so ein Dachschaden gehört vor dem Winter noch repariert.
    Und plötzlich war er wieder in Hainegg.
    Morgen regnet’s, hatte er die Stimme seiner Mutter im Ohr, und der Dachschaden ist immer noch nicht repariert. Sein Vater und er waren dann zum Baumarkt gefahren und anschließend noch vor dem Regen aufs Dach geklettert, hatten die kaputten Ziegel herausgenommen und durch die neuen ersetzt. Von unten hatte Timons Mutter hochgeschaut und gerufen, nicht dass einer mir runterfällt.
    Nach jedem Ausflug in die Vorstädte wuchs Polas Nest, und jedes Mal wenn sie und Timon ihre Rucksäcke ausgeleert und ihre Vorstadtbeute ein­sortiert hatten, fiel Pola ein, was sie noch brauchen würde.
    Und Abramowski fiel seine Liste ein. TENBROCK stand ganz oben in großen Lettern.
    *
    Sechs Tage lang stellte jemand einen Teller mit blauem Muschelrand vor Jule Tenbrocks Wohnungstür, Royal Copenhagen. Fünfmal fand sie ihn abends beim Heimkommen, beim sechsten Mal war es an einem Montag. Jemand hatte nicht nur den Wochencode für den Hauseingang, sondern wusste auch genau, dass Jule am Sonntag das Haus nicht verlassen hatte.
    Damit war ihr endgültig klar, was sie die ganze Zeit schon geahnt hatte und bis zu diesem Montag nur nicht wahrhaben wollte. Es musste ihr Nachbar sein, vielmehr mussten es alle beide sein, der Mann und die Frau mit dem Hund, die über ihr auf dem Dachboden lebte.
    Eigentlich wusste sie es seit »Unser Tanz fürs Oktoberfest«. Seitdem hatte sie es noch ein paar Tage lang trippeln gehört, dann hörte das auf, stattdessen kam manchmal von oben das leise Geräusch zu ihr durch, wenn der Hund wuff machte. Nie bellte er, aber manchmal quietschte er nachts im Schlaf.
    Vor allem aber hörte sie es oft klappern, manchmal
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