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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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tot; er hatte einen Lanzenstich durch die Brust und einen Keulenschlag über den Kopf bekommen und lag, als wir endlich am andern Ufer wieder etwas freier Atem schöpften, starr und leblos an Deck.«
    »Und was wurde aus der Ladung?«
    »Die verkaufte ich noch in derselben Woche, befrachtete dann die ›Charlotte‹, so hieß der Schoner, mit bei uns verkäuflichen Gegenständen und lief vier Monate später gesund und frisch in Charlestown, wo Dicksons Witwe lebte, ein. Die arme Frau trauerte allerdings über den Tod ihres Mannes, das Geld aber, was ich ihr brachte, tröstete sie wohl etwas. Acht Wochen später heiratete sie jedenfalls einen Pflanzer in der Nachbarschaft. Das sind Schicksale.«
    »Sie wußte doch wenigstens, wo ihr Mann geblieben war«, flüsterte der alte Mann vor sich hin, »wußte, daß er tot und wie er gestorben war. Wie manche Eltern harren aber Monde, Jahre lang auf ihre Kinder, hoffen in jedem Fremden, der die Straße heraufwandert, in jedem Reisenden, der nachts an ihre Tür klopft, das geliebte Antlitz zu schauen, und – müssen sich am Ende doch selbst gestehen, daß sie tot – lange, lange tot sind und daß Haifisch oder Wolf ihre Leichen zerrissen oder ihre Gebeine benagt haben.«
    »Ja, du lieber Gott«, sagte Tom, indem er, um ein etwas lebhafteres Feuer zu erhalten, einen neuen Ast auf die Kohlen warf, »das ist eine sehr alte Geschichte. Wie viele kommen nur in diesen Wäldern um, die auf den Flüssen gar nicht gerechnet, von denen die Familien selten oder nie wieder erfahren, was aus ihnen geworden ist. Wie viele Tausende gehen auf der See zu Grunde! Das läßt sich nicht ändern, und so oft ich auch in Lebensgefahr gewesen bin, daran habe ich nie gedacht.«
    »Manchmal kehren sie aber auch wieder zu den Ihren zurück«, sagte der Alte mit etwas freudigerer Stimme. »Wenn diese sie schon lange auf- und verlorengegeben haben, dann klopfen sie plötzlich an das vielleicht heiß ersehnte Vaterhaus, und die Eltern schließen weinend – aber Freudentränen weinend, das liebe, böse Kind in die Arme.«
    »Ja«, erwiderte Tom ziemlich gleichgültig, »aber nicht oft. Die Dampfboote fressen jetzt eine unmenschliche Anzahl Leben; bei denen geht's ordentlich schockweise. Das – aber Ihr rückt ja ganz von der Decke herunter«, unterbrach er sich, während er sein Lager wieder einnahm; »die Nacht ist zwar warm, doch auf dem feuchten Grunde zu liegen soll gerade nicht übermäßig gesund sein.«
    »Ich bin's gewohnt«, erwiderte der Alte, und zwar, wie es schien, ganz in seine eigenen trüben Gedanken vertieft.
    »Und wenn Ihr's auch gewohnt seid, die Decke liegt einmal da, warum sie nicht benutzen!«
    »An der Stelle dort, wo ich lag, müssen Wurzeln oder Steine sein; es drückte mich an der Schulter, und ich rückte deshalb aus dem Wege.«
    »Nun, danach können wir leicht sehen«, meinte Tom gutmütig; »es wäre überhaupt besser, ein wenig dürres Laub zu einem vernünftigen Lager zusammenzuscharren, als hier auf der harten Erde zu liegen. Steht einen Augenblick auf, und in einer Viertelstunde soll alles hergerichtet sein.«
    Edgeworth erhob sich und trat zu der knisternden Flamme, in die er mit dem Fuß einige der durchgebrannten und hinausgefallenen Klötze zurückschob. Tom zog indessen die Decke weg und fühlte nach den darunter verborgenen Wurzeln.
    »Hol's der Henker!« lachte er endlich. »Das glaube ich, daß Ihr da nicht liegen konntet. Eine ganze Partie Hirschknochen steckt darunter, aber keine Wurzeln. Daß wir das auch nicht gesehen haben!« Er warf die Knochen auf die Feuerstelle und kratzte nun mit den Füßen und Händen das in der Nähe herumgestreute Laub herbei, bis er ein ziemlich weiches Lager hergestellt hatte. Dann breitete er wieder sorgfaltig die Decke darüber, trug noch einige heruntergebrochene Äste zur Flamme, um in der Nacht wieder nachlegen zu können, zog Jacke und Mokassins aus, deckte sich jene über die Schultern und lag bald darauf lang ausgestreckt auf der Decke, um ein paar Stunden zu schlafen und die Ankunft des Bootes am nächsten Morgen nicht zu versäumen.
    Edgeworth dagegen hatte einen der neben ihn hingeworfenen Knochen aufgenommen und betrachtete ihn mit größerer Aufmerksamkeit, als ein so unbedeutender Gegenstand eigentlich zu verdienen schien.
    »Nun – seid Ihr nicht müde?« fragte ihn sein Gefahrte endlich, der zu schlafen wünschte. »Laßt doch die Aasknochen und legt Euch nieder! Es wird Tag werden, ehe wir's uns
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