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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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– kanntet Ihr ihn?«
    Der alte Mann preßte seine Hände vor die Stirn und sank in stummem Schmerz auf sein Lager zurück.
    »Was ist Euch, Edgeworth? Um Gottes willen, Mann – was fehlt Euch?« rief der Matrose, jetzt wirklich erschrocken emporspringend. »Kommt zu Euch! – Wer war jener Unglückliche?«
    »Mein Kind – mein Sohn!« schluchzte der Greis und drückte seine eiskalten, leichenartigen Finger fest vor die heißen, trockenen Augenhöhlen.
    »Allmächtiger Gott!« sagte Tom erschüttert. »Das ist schrecklich! – Armer – armer – Vater!«
    »Und Ihr begrubt ihn nicht!« fragte der Alte endlich nach langer Pause, in der er versucht hatte, sich ein wenig zu sammeln.
    »Doch; – er bekam ein Jägergrab«, antwortete leise und mitleidig der junge Mann. »Wir hatten nichts bei uns als unsere kleinen indianischen Tomahawks, und der Boden war dürr und hart da; – aber ich martere Euch mit meinen Worten –«
    »Erzählt nur weiter; – bitte, laßt mich alles wissen!« bat flehend der Vater.
    »Da legten wir ihn hier unter diese Eiche, trugen von allen Seiten Stangen und Äste herbei, daß kein wildes Tier, wie stark es auch gewesen, ihn erreichen konnte, denn Bären lassen die Leichen zufrieden, und ich hieb mit dem Tomahawk noch zuletzt das einfache Kreuz hier in den Stamm.«
    Edgeworth starrte still und leichenblaß vor sich nieder. Nach kurzer, peinlicher Pause richtete er sich aber wieder empor, schaute zitternd und traurig umher und flüsterte:
    »Wir liegen hier also auf seinem Grab, – in seinem Grabe, und mein armer, armer William mußte auf solche Weise enden! Doch seine Gebeine dürfen nicht so umhergestreut länger dem Sturm und Wetter preisgegeben bleiben; Ihr helft sie mir begraben, nicht wahr, Tom?«
    »Von Herzen gern, nur – wir haben kein Werkzeug.«
    »Auf dem Boot sind zwei Spaten und mehrere Hacken; – die Leute müssen helfen. Ich will meinem Sohn, und wenn auch erst nach langen Jahren, die letzte Ehre erweisen; es ist alles, was ich für ihn tun kann.«
    »Sollen wir unser Lager lieber auf der anderen Seite des Feuers machen?« fragte Tom.
    »Glaubt Ihr, ich scheute mich vor der Stelle, wo mein armes Kind vermoderte?« sagte der Greis. »Es ist ja auch ein Wiedersehen, wenngleich ein gar schmerzliches. Ich glaubte, an seinem Herzen noch einmal liegen zu können, und finde jetzt – seine Gebeine, umhergestreut in der Wildnis. – Aber gute Nacht, Tom! Ihr werdet müde sein von des Tages Anstrenungen; wir wollen ein wenig schlafen. Der anbrechende Tag finde uns erwacht und mit unserer Arbeit beschäftigt.«
    Sicherlich nur um den jüngeren Gefährten zu schonen, warf sich der alte Mann auf sein Lager zurück und schloß die Augen. Kein Schlaf senkte sich aber auf seine tränenschweren Lider, und als der kühle Morgenwind durch die rauschenden Wipfel der Kiefern und Eichen säuselte, stand er auf, fachte das jetzt fast niedergebrannte Feuer zu heller, lodernder Flamme an und begann bei dessen Licht die um das Lager herum verstreuten Gebeine zu sammeln. Tom, hierdurch ermuntert, half ihm schweigend bei seiner Arbeit und näherte sich dabei dem Platz, wo Wolf, etwa dreißig Schritt vom Feuer entfernt, zusammengekauert neben einem kleinen Ulmenbusche lag. Obgleich die beiden sonst sehr gute Bekannte waren, empfing ihn der alte Hund doch sehr unfreundlich und knurrte mürrisch und drohend.
    »Wolf! Schämst du dich nicht, Alter?« sagte der junge Mann, auf ihn zugehend. »Du träumst wohl, du faules Vieh, – weist mir die Zähne?«
    Der Hund beruhigte sich jedoch selbst durch die Anrede nicht und knurrte nur stärker, wedelte aber auch dabei leise mit dem Schwanze, gerade als hätte er sagen wollen: Ich kenne dich recht gut und weiß, daß du ein Freund bist, aber hierher darfst du mir trotzdem nicht.
    Tom blieb stehen und sagte zu Edgeworth, der auf ihn zukam: »Seht den Hund an, er hat da etwas unter dem Laub und will mich nicht näher lassen. Was es nur sein mag?«
    Edgeworth ging auf ihn zu, schob leise seinen Kopf zur Seite und fand zwischen den Pfoten des treuen Tieres – den Schädel seines Sohnes, wobei Wolf, als jener die Überreste des teueren Hauptes seufzend emporhob, an ihm hinaufsprang und winselte und bellte.
    »Das kluge Tier weiß, daß es Menschenknochen sind«, sagte der Matrose.
    »Ich glaube, beim ewigen Gott, er kennt die Gebeine!« rief der Greis erschrocken. »Bill hat ihn aufgezogen und ging von dem Augenblick an, wo er laufen konnte, nie einen Schritt
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