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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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liegenden Flatbooten glitt der ›Black Hawk‹ so rasch vorbei wie der Vogel, dessen Namen er trug; die Feuerleute schürten mit ihren mächtigen Eisenstangen in der Glut, die Soldaten und Mannschaften trugen Holz und Kohlen herbei, und die Maschine tat, ohne selber Gefahr zu laufen, ihr Äußerstes. Aber der ›Black Hawk‹ war ein altes, der ›Van Buren‹ dagegen ein neues und fast das schnellste Boot des Mississippi. Wie ein Pfeil schoß es eine kurze Strecke den Strom hinauf, dann fiel sein Bug plötzlich vor der Flut ab – von Helena aus konnten sie das von Menschen gedrängte Heck übersehen –, und Jauchzen und Jubeln scholl von dort herüber. Die Schnelle, mit der es die Flut durchschnitt, war entsetzlich; der gehemmte Dampf jagte die Räder in rasendem Wirbelschwung um ihre Achsen; Fett und Öl schleppten die Piraten herbei und warfen es unter die Kessel, während sich zwei der Männer an die Ventile hängten. Aber wo war der Mann, der diese wilde, zuchtlose Schar hätte in Ordnung halten können? Wer verstand die Leitung dieser Maschinen, um die Sicherheit ihrer Kraft zu bestimmen? Nur wilde, ungeregelte Flucht war der Gedanke der Piraten. Die Maschine arbeitete; Holz lag noch an Bord; die Kessel glühten; die Schaufeln der Räder peitschten die Flut; vorn am Bug zischte der gelbe Schaum empor, und – ha, wie weit zurück schon die Verfolger lagen! Fast war die Landspitze erreicht, die sie ihren Blicken entzog, und dort vor ihnen lag der weite, ruhige Strom, der sie der Freiheit entgegentragen sollte. Noch leuchtete hoch und hell die Sonne am Himmel. Weißer, siedender Qualm füllte den Raum und quoll aus den Seiten des Decks, und zum Himmel emporgeschleudert schossen zerstückelte Leichname und Bootstrümmer und stürzten nach kurzem schauerlichen Flug schwerfällig und matt tönend auf die zitternde Wasserfläche nieder. – Das halbe Boot war verschwunden, aber Vezweifelnde kämpften noch mit den Wogen, als der ›Black Hawk‹ vorüberbrauste und auf derselben Stelle einschwenkte, auf welcher wenige Minuten vorher die Kessel des ›Van Buren‹ geplatzt waren.
    In Helena stieg, als sie von dort aus die Explosion des Piratenbootes erkannten, ein Jubelruf aus hundert Kehlen und mischte sich mit dem fernen Angstschrei und Todesröcheln der Verbrecher. – Die Feinde waren vernichtet, die Insel hatte der ›Black Hawk‹ gestürmt, und was nicht im Kampf seinen Tod fand, brachte er gefesselt an Bord. An der Landung von Helena aber suchten weinend Frauen und Mädchen unter den Toten ihre Lieben und Freunde, und ernste Männer trugen die verwundeten Kameraden in die nächsten Häuser hinauf.
    Wer aber waren die beiden, die, noch immer miteinander ringend, dem Wasser entstiegen? – Das Volk sammelte sich um sie, und manche wollten mit Hand anlegen und die Feinde trennen. Tom Barnwell, der eine von ihnen, hatte aber sein Opfer zu fest und sicher gepackt, und wenn der Mann auch in verzweifelter, wilder Wut gegen ihn ankämpfte und Nägel und Zähne in das Fleisch seines ihm überlegenen Siegers einschlug, so schien der die Wunden kaum zu fühlen, viel weniger zu achten.
    »Zurück!« rief er. – »Gleicher Kampf, und einer gegen einen! – Der hier ist mein! – Bei dieser rechten Hand habe ich's geschworen, daß ich ihn zwingen will, mir zu folgen, und meine rechte Hand soll den Schwur halten, wenn er den Arm auch bis auf die Knochen abnagte!«
    »Hallo, Tom«, rief ihn hier ein Bekannter an, »will ihm die Beine ein bißchen heben, daß er's bequemer hat.«
    »Zurück da, Bredschaw, zurück!« schrie aber der junge Bootsmann. – »Hinaufschleifen will ich ihn, wenn die Bestie nicht mehr gehen kann; aber kein Mann außer mir soll Hand an ihn legen.«
    Mit wildem Geschrei, in fast wahsinniger Aufregung schleppte der Bootsmann sein heulendes Opfer die Straße hinauf, des Richters Wohnung zu; einzelne Männer folgten ihm; aber er sah sie nicht. Nur vorwärts, vorwärts strebte er. »Marie!« war das Wort, das er manchmal zwischen den zusammengebissenen Zähnen vorknirschte. »Marie, ich bringe ihn dir, – ich bringe ihn dir!« Jetzt erreichte er das Haus. Niemand war in dem Vorsaal. – Die Haustür war nur angelehnt. – Adele hatte, selbst kaum stark genug, sich aufrecht zu halten, die über den Kampf zu Tode erschrockene Hedwig hinauf in ihr Zimmer geführt, damit sie das Gräßlichste nicht hören, nicht erfahren sollte. Unten aber in dem kleinen, kühlen Gemach, das man erst heute der Kranken
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