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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin
Autoren: Christopher W. Gortner
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spanische Allianz verloren. «
    Wie gerne würde ich jetzt aufstehen, um nach Birago zu rufen, damit er aus den eingegangenen Meldungen Informationen heraussiebt, die sich als Waffe verwenden lassen. Doch Birago ist tot, und ich kann mich nicht rühren. Ich kann nichts tun, außer meinem Sohn nachzublicken, wie er aus dem Zimmer tänzelt und leise vor sich hin singt: »Verloren: Armada auf hoher See …«
    Jetzt weiß ich, dass er bald Rache üben wird.

    Gestern Abend ist das Fieber zurückgekehrt. Schatten sind gekommen und gegangen; Geflüster: »Wasser in der Lunge … man sollte sie schröpfen.« Ich spüre ihre Angst. Sie sorgen sich um mich. Sie glauben, dass ich sterben werde. Und ich will ja sterben! Ich sehne mich danach, für immer im gesegneten Vergessen zu versinken. Aber noch ist es nicht so weit.
    Frankreich streckt seine Krallen nach mir aus: Es hat nicht vor, mich ruhen zu lassen.

    Das Zeichen ist da.
    Am frühen Morgen werde ich von Schreien und einem Poltern über mir geweckt. Man könnte meinen, im oberen Zimmer wäre ein Streit ausgebrochen, dort, wo sich die Gemächer meines Sohnes befinden. Meine Hofdamen stolpern gerade mit vom Schlaf verquollenen Augen zu mir herein, als ich eine karmesinrote Perle durch die Dachbalken quellen sehe. Einen Moment lang bleibt sie hängen, klammert sich an den golden und lila bemalten Sparren, bevor sie schließlich fällt und neben meiner rechten Hand auf das Laken spritzt.
    Ich schnappe nach Luft. Schon eilt Lucrezia herbei. Ihre besorgte Miene und die zitternde Hand, die sie mir auf die Stirn legt, verraten mir, dass sie und Anna-Maria nichts bemerken. Sie sehen die Tropfen nicht, wie sie einer nach dem anderen fallen und mit einem hohlen Geräusch auf meinem Bett aufprallen. Aber ich sehr wohl! Ich sehe Blut. Blut tropft von meiner Decke,genau so, wie ich es schon einmal,vor Hercules Tod, in einem Traum gesehen habe.
    Nur bin ich diesmal wach.
    Lucrezia greift nach dem Mohnfläschchen auf dem Nachttisch. In der Annahme, dass ich Schmerzen leide, schickt sie sich an, mir einen Schluck zu verabreichen, doch ich wehre mich. »Nein. Geh raus. Sieh nach, was los ist.«
    Sie und Anna-Maria blicken einander völlig perplex an, als auf einmal Henri hereinkommt. In der Hand schwingt er den Dolch, dessen Klinge blutverschmiert ist. Als er ihn aufs Bett wirft, prallen meine Vertrauten vor dem Blutflecken zurück, den die Waffe auf dem Laken hinterlässt.
    »Es ist vollbracht«, sagt er. »Er hat gekämpft wie ein gefangenes Tier, aber ich habe ihn mir aus dem Herzen geschnitten.«
    Stumm starre ich ihn an. Ich sehe Blut an seinem Ziegenbärtchen; ein Spritzer ist weiter unten auf seiner Kehle gelandet.
    »Ich habe ihn eingeladen, mit mir zu frühstücken«, erklärt er, und seine Stimme wird leise, fast melancholisch, als dächte er an ein lange zurückliegendes Ereignis. »Er ist mit einem seiner Brüder gekommen, aber sonst war niemand dabei. Er dachte tatsächlich, ich würde ihn eigenhändig bedienen. Und das habe ich auch getan. Ich habe als Erster auf ihn eingestochen, ehe ich die Fünfundvierzig den Rest erledigen ließ. Leider musste auch sein Bruder sterben.«
    Ich senke die Lider. Guise ist tot. Mein Sohn hat sich seinen Thron endlich zurückgeholt.
    Lucrezia ergreift den Dolch am Schaft und wischt ihn an ihren Röcken ab.

    Gestern Nacht hatte ich den Traum. Darin sah ich weinende Menschen auf den Knien. Außerdem sah ich das Zimmer, das schwarz verhängte Bett – und es wartete auf mich. Keuchend wache ich auf, die Laken schweißnass. Anna-Maria und Lucrezia stürzen herbei. Nicht einmal die Heizpfannen können die Kälte vertreiben. Ihr Atem steigt in winzigen Wolken auf, während sie am Bett stehen. Ratlos starren sie mich an, bis ich sage: »Ihr müsst mir beim Aufstehen helfen.«
    Mit Hinweisen auf die schreckliche Kälte, das Fieber und meine verstopften Lungen versuchen sie, es mir auszureden. Am Ende drohen sie sogar damit, meine Ärzte zu holen. Doch ich lasse nichts gelten. Beflügelt von einer Entschlossenheit, die mich nicht minder überrascht als sie, mache ich Anstalten, mich aus eigener Kraft zu erheben.
    »Ich muss«, sage ich. »Ich muss.«
    Sie kleiden mich in meine schwarzen Röcke und das Mieder, wickeln mich in einen Mantel und reichen mir meine Handschuhe. Ich schüttele den Kopf. »Nein, keine Handschuhe. Meine Finger waren nackt.«
    Sie starren mich an, als ob ich verrückt geworden wäre. Vielleicht bin ich das ja auch. Aber ich
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