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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin
Autoren: Christopher W. Gortner
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Königin Jezebel.«
    Meine Hand krampfte sich um die Klinke der Sänftentür.
    »Jezebel!«, kreischte die andere Frau. » Reine de la mort! «
    Teilnahmslos blickte ich in die hassverzerrten Gesichter. Dieses Tor hatte so vieles in meinem Leben kommen und gehen sehen, und jäh fand ich mich an jenen schrecklichen Tag in meiner Kindheit zurückversetzt, als eine Meute am Palazzo meiner Familie auf mich losgehen wollte.
    Nieder mit den Medici! Tod den Tyrannen!
    Ich wandte mich ab und zog mir die Kapuze über den Kopf. Anna-Maria rang die Hände; sie fürchtete, man würde mich gefangen nehmen, obwohl ich Guises Wort hatte, dass er mich gehen lassen würde, sobald ich ihm die Schriftrolle übergeben hatte. Ich lächelte sie beschwichtigend an, während mir Lucrezia dabei half, meine geschwollenen Finger in die Handschuhe zu schieben.
    Wir umarmten einander. »Gott stehe Euch bei«, flüsterte sie. »Wir treffen uns in Blois wieder.«
    »Vergiss nicht«, mahnte ich sie. »Meine Juwelentruhe und ein, zwei vernünftige Umhänge genügen vollauf. Der Rest kann zurückbleiben. Soll doch Guises Familie das Silber schmelzen und daraus Gedächtnismünzen prägen.«
    Eine Träne rann über Anna-Marias Wange. Lucrezia drückte sie an sich, als ich in meine Sänfte stieg.
    Am weißen Himmel stieg die Sonne auf. Ich hielt inne. Nun also verließ ich den Louvre, Ort meiner größten Triumphe und schlimmsten Fehler, von jener Familie ins Exil geschickt, die ich trotz all meiner Manöver und Intrigen nicht hatte besiegen können. In Paris verunglimpften die Leute meinen Namen. Mein Sohn war bereits mit seiner Königin und seinen Vertrauten zur Loire vorausgeritten. Ihm galt es zu folgen.
    Und als ich einen letzten Blick auf den alten Steinpalast warf, der vom gnädigen Licht der Morgendämmerung in ein dunkles Rosa getaucht wurde, nahm ich ohne Tränen und ohne Bedauern Abschied.
    Denn schließlich war ich eine Medici.

39
    Es gibt einen arabischen Mythos, wonach der Tag und die Art unseres Todes vorherbestimmt sind, ohne dass wir etwas daran ändern könnten. Allerdings habe ich nie viel auf die Behauptungen der Gottlosen gegeben, noch auf das Versprechen eines ewigen Lebens meiner eigenen Kirche. Ich habe einfach zu viel Verrat im Namen der Religion erfahren.
    Gleichwohl habe ich reichlich Gelegenheit gehabt, darüber nachzusinnen, warum es die unsichtbare Macht über allem für nötig erachtet hat, mich so sehr auf die Probe zu stellen. Habe ich denn nicht so wie jeder andere für mein Fleisch und Blut gekämpft? Andere leben kürzer als ich, erreichen nur einen Bruchteil dessen, was ich geleistet habe, und thronen dennoch mit einem Heiligenschein um den Kopf über allem, wohingegen ich wie eine Schurkin in meiner eigenen Schande versinke.
    Während ich das Unvermeidliche erwarte, sehe ich die Toten vor mir. Den ersten Herzog von Guise, den gefährlichen le Balafré; Königin Jeanne von Navarra; Coligny und Mary Stuart – sie alle zu verschiedenen Zeiten meine Feinde und meine Komplizen, sie alle Märtyrer für ihre jeweilige Sache. So wichtig sie im Leben waren, durch den Tod sind sie zu Legenden geworden.
    Und jetzt frage ich mich: Welche Grabinschrift wird die Geschichte für mich verfassen?

    Der Rat der Katholischen Liga hat sich im großen Saal von Blois mit seinen vergoldeten Wandpfeilern und violetten Bögen getroffen, um die Kapitulation meines Sohnes zu feiern. Aber immerhin war meine Botschaft an Guise erfolgreich. Wie erwartet, hat er mir keine Einschränkungen auferlegt. Er hat den Vertrag akzeptiert und mich meinem Sohn nach Blois folgen lassen. Allerdings hat mir die strapaziöse Reise nach so vielen Monaten der Angst und Sorge die letzten Kräfte geraubt.
    Aus diesem Grund konnte ich nicht persönlich im Festsaal anwesend sein, sondern schickte Lucrezia hin, damit sie mir genau berichtete.
    Sie waren alle da, all jene, die unablässig Komplotte geschmiedet und auf unseren Sturz hingearbeitet haben: die katholischen Adeligen, Statthalter und Beamten, die opportunistischen Botschafter und die unvermeidlichen Spione. Und auf dem Podest stand in seinen Hermelinpelz gehüllt Henri und sprach mit ruhiger, klarer Stimme eine Huldigung auf mich aus.
    »Wir dürfen nicht die Lasten vergessen, die meine Mutter zum Wohle dieses Reichs getragen hat. Ich halte es für angebracht, ihr bei dieser Versammlung im Namen Frankreichs unsere Dankbarkeit auszusprechen. Welche Mühen hat sie nicht auf sich genommen, um unsere Not zu
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