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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
Autoren: Mike Powelz
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die anderen Gäste kennenlernen? Der Großteil sitzt schon unten im Esszimmer.“
    Minnie nickte. Sie war gespannt und aufgeregt. „Vor allem möchte ich das Haus sehen, weil ich dann besser einschätzen kann, ob ich mich hier wirklich wohlfühle!“
    Andreas blinzelte mit den Augen.
    „Das kann ich sehr gut verstehen. Eigene Eindrücke sagen immer mehr als Worte. Ich begleite Dich.“
    Minnie wurde in ihrer Annahme, dass der Psychologe immer die richtigen Worte fand, bestätigt. Andreas verstand genau, was sie brauchte, um sich gut zu fühlen. Dieser Vertrauensvorschuss war in den zwei Tagen nach seinem Klinikbesuch noch größer geworden. Inzwischen war er fast unerschütterlich. Selten zuvor hatte Minnie einem anderen Menschen so schnell ihre Zuneigung geschenkt. Natürlich hatte sie sich auch bei Dr. Vier stets gut aufgehoben gefühlt. Ihr langjähriger Hausarzt hatte sich immer viel Zeit für sie genommen – aber man merkte eben, dass er sie sich nahm . Bei Andreas war das anders. Das Verstreichen der Zeit schien unwichtig zu sein für den Psychologen.
    Gemeinsam traten die beiden aus Minnies Zimmer, das am Ende eines langen Ganges lag. Alles wirkte blitzsauber. Erst jetzt sah Minnie, dass es eine Nische vor ihrer Tür gab, in der ein kleines Sofa stand. Von hier aus ließ sich der komplette erste Stock überblicken.
    Außer Zimmer 6 gab es noch fünf weitere Zimmer – drei auf der linken, zwei auf der rechten Flurseite. Und einen Lift am Kopfende. Neugierig warf Minnie einen Blick auf das Namensschild des Nachbarzimmers.
    „In Zimmer 5 wohnt Professor Pellenhorn“, verriet ihr der Psychologe. „Du bist ihm bereits begegnet. Der alte Herr sitzt in einem Rollstuhl. Mich erinnert er immer an einen glücklichen Buddha.“
    Minnie musterte die anderen Türschilder. Zimmer 4 bewohnte Bella Schiffer , zur rechten lag Zimmer 1 von Klärchen Krause . „Wohnen hier hauptsächlich Frauen?“, fragte die alte Dame erstaunt.
    „Keineswegs“, antwortete der Psychologe. „Am linken Ende dieses Ganges, in Zimmer 3, hat sich ein älterer Herr namens Adolf Montrésor eingerichtet. Ihm gegenüber wohnen Herr und Frau Knopinski . Das Ehepaar aus Zimmer 2 ist wirklich schon steinalt.“
    „Wer von den beiden ist krank?“, fragte Minnie.
    „Frau Knopinski“, antwortete Andreas.
    Die alte Dame und der Psychologe gingen zur Mitte des Ganges. „Jetzt hast Du die Qual der Wahl“, sagte Andreas. „Wenn Du ins Erdgeschoss möchtest, kannst Du entweder mit dem Lift fahren oder diese Treppe benutzen.“
    Minnie musterte die Stufen. Zwischen dem Zimmer von Frau Krause und dem Zimmer der alten Knopinskis führten flache Steinstufen nach unten – gesäumt von einem schmiedeeisernen Geländer.
    „Lift oder Laufen?“, fragte Andreas.
    „Laufen!“, antwortete Minnie.
    Sie zählte die Stufen bis unten. Nach der fünfzehnten erreichten die beiden eine Zwischenebene, und genau so viele führten sie ins Erdgeschoss. Am Fuß der untersten Stufe angekommen, bot sich Minnie ein perfekter Blick auf die Eingangstür von Haus Holle. Freundlich nickte sie der Telefondame an der Rezeption zu und musterte einen jüngeren Mann, der in einen Agatha-Christie-Roman vertieft war. Er sah nur kurz auf und blinzelte ihr zu.
    „Mike Powelz ist der Sohn eines Gastes“, erklärte Andreas. „Er nutzt die lange Zeit in Haus Holle, weil er ein Buch schreiben will. Aber meistens verschlingt er Krimis.“
    Ein rascher Blick nach rechts verriet Minnie, wo der Grüne Saal lag. „Dort findet das Klavierkonzert statt“, verriet ihr der Psychologe. „Es geht gegen 20 Uhr los. Jetzt jedoch gehen wir erst mal nach links.“ Während die beiden auf das Esszimmer zuschritten, erblickte Minnie ein altes Holzbord mit einer frischen Kerze, einer Kreidetafel und einem aufgeschlagenen, blau eingefassten Buch.
    Neugierig blickte die alte Dame hinein. Gustav stand dort in großen Lettern. Fragend sah sie Andreas an.
    „Das ist unser Kondolenzbuch“, erklärte der Psychologe. „Darin stehen die Namen all derjenigen, die hier einmal gelebt haben. Sobald ein Gast verstorben ist, darf ihm jeder ein paar Zeilen ins Kondolenzbuch schreiben – egal, ob er der Partner, ein Gast oder ein Pfleger ist.“
    „Warum brennt die Kerze nicht?“, fragte Minnie.
    „Wenn jemand in Haus Holle stirbt, brennt die Kerze 24 Stunden lang. Außerdem schreiben wir den Namen des toten Gastes auf die Tafel. Wenn der Verstorbene das Haus verlässt, und die Kerze abgebrannt ist, wird
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