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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit
Autoren: Evelyne Okonnek
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durften sie sich hier nicht aufhalten. Sie mussten die Aos Sí erreichen, bevor sie doch noch Flammenkriegern in die Hände fielen.

    Aurnias Herz raste. Wären sie etwas schneller gewesen, hätte sich ein Zusammenstoß nicht vermeiden lassen. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Männer soeben vor ihnen die Wendeltreppe nach oben gestürmt waren. Nur eine weitere Biegung und sie wären ihnen direkt in die Arme gelaufen. Dass es sich um Flammenkrieger handelte, daran hatte sie keinen Zweifel. Wer sonst sollte sich hier unten in den Kerkern herumtreiben? Es war ein Wunder, dass sie bisher nur einem einzigen begegnet war. Aber wie lange würde ihr Glück anhalten? Sie mussten raus aus diesem Gebäude! Verzweifelt sah sie Brone an, der sich kaum aufrecht halten konnte. Es half nichts, er brauchte die Pause. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Aurnia drehte ihn vorsichtig, damit er sich setzte.
    Angespannt lauschte sie in die Stille und fingerte an dem Dolch des toten Flammenkriegers. Als sie den Eindruck hatte, dass Brones Atem ruhiger geworden war, stand sie auf. Vorsichtig streckte sie sich, ihre Muskeln waren verkrampft und schmerzten. Eben wollte sie Brones Arm nehmen, um ihn hochzuziehen, da hörte sie über sich schon wieder jemanden. Sie konnte sich gerade noch auf die Zunge beißen, um keinen wüsten Fluch auszustoßen, und zog den Dolch aus der Scheide. Doch erneut hatten sie Glück. Der Flammenkrieger ging ebenfalls nach oben. Trotzdem steckte sie die Waffe nicht mehr ein, sondern verbarg nur die Hand unter dem Umhang. Sie musste damit rechnen, dass andere folgten.
    Schritt für Schritt bewältigten sie die nächsten Stufen. Brone zitterte und rang nach Luft. Es war bloß eine Frage der Zeit, wann er endgültig zusammenbrach. Was sie dann tun sollte, wusste sie nicht. Konnte sie ihn tragen? Er war so ausgemergelt. Aber sie war selbst noch geschwächt von dem Verlust des Kindes. Vielleicht wäre es besser, im dritten Stockwerk nach einem Versteck zu suchen und abzuwarten. Sie hatten es fast erreicht. Wie lange würde es dauern, bis die Dämonen die Stadt eingenommen hatten? Und was, wenn die Jalluthiner siegten? Nein, daran durfte sie nicht denken! Sie zwang sich diese Frage beiseitezuschieben. Als sie den Kopf hob, um die Stufen bis zum nächsten Absatz zu zählen, stand dort ein Mann und musterte sie. Ein eisiger Schrecken durchfuhr sie, sie hatte ihn nicht gehört. Gleich darauf nahm sie seine Augen wahr. Ein Dämon!, dachte sie erleichtert. Das schien ihr hier an diesem Ort die kleinere Gefahr zu sein. Aber etwas stimmte nicht mit ihm, er lehnte sich gegen die Wand, als ob er erschöpft oder verletzt wäre. Sonst konnte sie niemanden entdecken. Er war allein.
    Angstvoll aufgerissene Augen starrten ihn an. Erst hätte er die Königin fast nicht erkannt. Wie alt sie geworden war! Aithreo sah die weißen Haare und die tiefen Furchen um ihren Mund, die von Verbitterung und Entsagung erzählten. Sie schien unsicher. Vielleicht glaubte sie, er würde sie töten. Aber ganz gleich, wer sie in der Welt der Menschen sein mochte, sie war auch die Mutter seines Sohnes. Er sah, wie sie den Arm schützend um den verkrüppelten und verwahrlosten Mann legte. Hatte sie ihn aus dem Kerker geholt? Vermutlich, es gab keine andere Erklärung.
    Aithreo bemerkte, dass der Fremde am Ende seiner Kräfte war. Er hob das Gesicht, als wollte er nachsehen, was Aurnia aufhielt. Doch seine Augenhöhlen waren leer. Aithreo sammelte sich und stieß sich von der Wand ab. Er konnte dem Mann helfen, ihm das Augenlicht wiedergeben. Als er vor ihm stand, streckte er die Hände aus und legte sie sacht auf die Schläfen des verunstalteten Menschen. Der Kampf mit Néal hatte viel Kraft verbraucht, aber noch besaß Aithreo genug Macht, um zu heilen. Weißes Licht hüllte den Verkrüppelten ein. Einen Augenblick später spürte Aithreo erst einen kalten, scharfen Schmerz, der sich von unten in seine Lunge bohrte, und dann einen heftigen Stoß, der ihn nach hinten warf. Er prallte auf harten Stein, wollte sich aufrichten, aber die Kälte in seinem Inneren breitete sich rasend schnell aus. Jemand beugte sich über ihn. Seine Finger tasteten über den Leib, berührten das Eisen in der Seite. »Grian sei …« Aithreos Stimme brach.
    »Was ist geschehen?«, fragte Brone leise und bewegte die Glieder, als ob neue Energie durch seine Adern strömte.
    »Es ist nichts«, sagte Aurnia und sah auf den Toten zu ihren Füßen. »Nur ein Dämon.«
    Wie kaltblütig
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