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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit
Autoren: Evelyne Okonnek
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vergewissert hatte, dass ihm niemand hinterhergekommen war, legte er eine Hand auf die Felswand. Der Stein schimmerte und löste sich auf. Ein mannshoher Spalt erschien. Der Erwählte zwängte sich hindurch und befand sich in einem weiteren Gang, der durch eine unsichtbare Lichtquelle erhellt war. Schnell verschloss er die Öffnung auf die gleiche Weise und setzte seinen Weg fort. An die Stadt über ihm dachte er nicht. Es war ihm gleichgültig, was mit ihr und ihren Bewohnern geschah. Auch den Maler hatte er wieder vergessen. Seine Gedanken waren jetzt nur noch auf sie, die eine, gerichtet. Er malte sich aus, wie er den Deckel öffnen und den Dolch in die Hand nehmen würde. Bis in die kleinste Einzelheit konnte er alles vor sich sehen. Doch auf das, was ihn wirklich erwartete, war er nicht vorbereitet.

    »Aithreo, was für eine Überraschung!« Das Lächeln des Erwählten war eisig. Er machte einen Schritt nach vorne, dann noch einen, dann zwei, und Aithreo wich beständig zurück.
    Hat er auch Angst?, fragte sich Glic. Aber während er beobachtete, wie sich die beiden immer weiter in den Raum hineinbewegten, hatte er plötzlich den Eindruck, es sei Absicht. Für Lasair, die mit Grian hinter der Tür verborgen stand, und für ihn und Dorc war damit der Weg aus diesem Raum frei. Trotzdem konnte er sich nicht rühren. War es Furcht oder ein Zauber? Wie gebannt starrte er auf die Männer, die jetzt, einem seltsamen Tanz gleich, den Sarg umkreisten. Einen Augenblick nur senkte der Erwählte seinen Blick und sah, dass der Sarg leer war.
    »Aithreo!«, schrie er auf. »Du glaubst, du kannst sie mir doch noch stehlen? So, wie du mir meinen Platz weggenommen hast?«
    »Wer bist du?«, fragte Aithreo verwirrt.
    »Nicht tot!« Die Augen des Erwählten blitzten triumphierend. »Du hast geglaubt, du bist mich los, richtig?«
    »Wer …«, begann Aithreo und stockte. »Du? Néal!«
    Wieder zeigte sich das kalte Lächeln im Gesicht des Erwählten. Niemand sagte etwas. Lasair und Aithreo schauten das Oberhaupt der Jalluthiner wie eine Erscheinung an. Glic hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging. Néal? Den Namen hatte er bereits gehört. Und was für einen Platz hatte Aithreo ihm weggenommen? Mühsam versuchte Glic sich an Lasairs Erzählungen zu erinnern. Néal, war das nicht der Mann, den Grian verschmäht hatte? Lasair hatte es anders ausgedrückt, aber es lief darauf hinaus. Also schon wieder ein Dämon, der sich in anderer Gestalt versteckte, um Unschuldige für seine Zwecke zu benutzen! Menschen lebten nicht ewig, schoss es ihm durch den Kopf. Er war schlecht im Rechnen, aber über die Jahrhunderte musste der Kerl etliche Priester verschlissen haben, um seine falsche Fassade aufrechtzuerhalten. Nun, um die Priester war es nicht schade; Glic hoffte sogar, dass der Erwählte sie schön langsam umgebracht hatte, bevor er die neue Gestalt annahm. Dafür bedauerte er die anderen Opfer umso mehr. Er hatte gute Lust, ihn mit Pfeilen zu spicken. Bevor er sich rühren konnte, sah er, dass Lasair schwankte. War es wegen diesem Néal? Nein, wohl eher wegen der Last in ihren Armen. Sie mussten hier raus! Als hätte der Erwählte, der Néal war, seine Gedanken gelesen, streckte er die Hand aus. Ein Lichtstrahl traf die Tür und sie flog zu.
    »Verdammt!«, murmelte Glic.
    »Lass sie gehen«, sagte Aithreo. »Ich bin derjenige, den du willst!«
    »Ihr alle werdet hier nicht lebend herauskommen!«, erwiderte Néal ruhig.
    Glic war nicht überrascht, dass der Mann keine Gnade zeigte. Er hatte sich nie durch Barmherzigkeit ausgezeichnet. Aber etwas anderes wurde ihm jetzt bewusst und das war viel ungeheuerlicher. Glic trat einen Schritt vor. »Moment mal, ich würde gerne verstehen, warum ich sterben muss. Du steckst also dahinter? Du hast ein ganzes Volk zerstört, nein, zwei Völker, und wir, wir gehören auch dazu. Und das alles bloß, weil dich vor Hunderten von Jahren mal eine nicht wollte!« Glic platzte fast vor Wut. Was für ein erbärmlicher Wicht! »Und geht es dir jetzt besser? Du siehst so verkniffen aus! Deine Rache hilft dir nicht, oder?«, schleuderte er ihm entgegen. Es war ihm gleich, was geschehen würde, er musste das loswerden, sonst würde er daran ersticken. Er beugte sich vor und zeigte mit dem Finger auf ihn: »Ich wünsch dir noch viele Tausend Jahre ganz allein, wenn alle tot sind!«
    In seiner Aufregung hatte er nicht gemerkt, dass jemand dicht neben ihm stand. Dorc legte seinem Freund die Hand auf die
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