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Die Flammen der Dunkelheit

Die Flammen der Dunkelheit

Titel: Die Flammen der Dunkelheit
Autoren: Evelyne Okonnek
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beobachtete die beiden unschlüssig. Dann gesellte sie sich zu Glic und strich mit dem Finger über die glatte Oberfläche des Holzes. Es war vollkommen trocken. Die Stämme mussten jahrelang hier gelagert haben. Ein Wunder, dass niemand damit sein Haus instand gesetzt hatte. Sie sah hinüber zu Dorc, der verbissen Aststummel von dem Stamm hieb. Vielleicht gelang es ihr mit einer Nachricht, zu ihm durchzudringen.
    »Dorc, deine Mutter ist mit diesem verkrüppelten Mann in einem Dorf in den Bergen untergekommen. Aber Aithreo …«, sie brach ab und schluckte.
    Glic nahm ihre Hand, drückte sie, und sprach an ihrer Stelle weiter: »Er hatte nicht so viel Glück. Sie haben ihn unten in den Kerkern gefunden, auf der Treppe. Der Erwählte hat ihn im letzten Moment doch besiegt.« Als sein Freund unbewegt blieb, fügte er hinzu: »Er ist tot, Dorc. Einfach erstochen!«
    Dorc verzog keine Miene. Er schaute Lasair an, als wollte er etwas sagen, dann senkte er den Kopf und widmete sich wieder dem Baumstamm.
    Glic und Lasair sahen sich an. War jetzt der richtige Moment, Dorc die Wünsche der Aos Sí und Grians Einfall zu unterbreiten?
    »Weißt du, es gibt noch mehr Neuigkeiten«, sagte Glic, der wie gewöhnlich nicht abwarten konnte. »Wir sollen geehrt werden, weil wir die Dämonen gerettet haben. Ich finde das übertrieben, und wir drei wissen ja auch, es war eigentlich deine Mutter, die dem Erwählten seine heilige Flamme ausgeblasen hat, aber es wäre schade ihnen die Freude zu verderben.« Er hätte genauso gut mit einem Stein reden können, Dorc schwieg beharrlich. Doch Glic ließ sich durch nichts mehr aufhalten, er wollte unbedingt etwas loswerden. »Grian möchte dich zu ihrem Gefährten machen!« Es war deutlich, dass er das für eine Ehre hielt und sein Staunen darüber grenzenlos war.
    Dorc schnaubte und redete zum ersten Mal: »Sie kennt mich überhaupt nicht!«
    »Du bist immerhin Aithreos Sohn«, sagte Lasair ernst. »Sie hofft, das Blut deiner Mutter würde es den Menschen einfacher machen, in Frieden mit uns auf dieser Insel zu leben.«
    Dorc hieb die Axt mit solcher Wucht in den Stamm, dass er krachend entzweibrach. Erschrocken starrten ihn die Freunde an. Vor Zorn konnte er kaum sprechen und mühsam presste er hervor: »Ich habe genug davon, nichts als eine Schachfigur zu sein! Es ist mir vollkommen gleichgültig, was hier geschehen wird.« Dann wandte er sich ruckartig um und ging ein paar Schritte zum Tor. Mit beiden Händen fuhr er sich durch die Haare, um sich schließlich wieder zu seinen Freunden umzudrehen.
    »Ich kann weder vergeben noch vergessen! Mag es auch eigensüchtig sein, ich schaffe es einfach nicht. Nein, ich möchte ehrlich zu euch sein, ich will es auch nicht! Im Übrigen, mein Entschluss steht unverrückbar fest: Ich werde diese Insel verlassen!«
    »Oh, also dafür baust du ein Schiff!«, sagte Glic verblüfft und kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Verlassen heißt, du kommst nie mehr zurück?«
    Dorc nickte.
    Glic brauchte eine ganze Weile, um diese Neuigkeit zu verdauen. Schließlich meinte er: »Ich kann mir zwar kaum vorstellen, dass es anderswo besser ist, aber wir können ja nachsehen.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Und so eine Fahrt übers Meer wollte ich schon immer mal wieder machen!«, fügte er strahlend hinzu. »Weißt du noch, unsere Ausfahrt auf deinem neuen Boot?«
    Erneut nickte Dorc und ein winziges Lächeln nistete sich in seinen Mundwinkeln ein. »Wie könnte ich das vergessen, es war der einzige Tag, an dem ich für ein paar Stunden richtig glücklich gewesen bin.«
    Es war also auch für ihn ein besonderes Erlebnis!, dachte Glic zufrieden. Dann schlug er vor, dass sie Dorc beim Bootsbau helfen könnten. Er schaute sich den halb fertigen Rumpf prüfend von allen Seiten an. Erst danach fiel ihm etwas auf. »Wo ist sie?«, fragte er.
    Dorc wusste sofort, wen er meinte.
    Lasair stand vorne am Kai und betrachtete das Meer, das sich in hellgrauen Wellen aus dem Horizont bis zu ihren Füßen ergoss. Was war hinter dieser Linie? »Die Scherben werden niemals ein Ganzes ergeben und Hoffnung entflieht ins Grau«, zitierte sie leise. »Ich glaube, ich verstehe sie jetzt besser.«
    »Wen? Grian?«, fragte Glic.
    »Nein, die Prophezeiung, die achte. Wusstest du, dass es ein Bild gibt, das viele Aos Sí in ihren Träumen gesehen haben?«
    »Was für ein Bild?«, fragte Glic ungeduldig, als sie zu lange schwieg.
    »Drei Gestalten fahren in einem Boot aufs Meer hinaus.
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