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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Autoren: Giuseppe Furno
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Aale rösteten.
    Sofort dachte er daran, sich auszuziehen. Da packte ihn etwas wie eine Klaue am Arm und riss ihn nach hinten. Einen Augenblick später überflutete ihn ein Schwall eiskalten Wassers vom Kopf bis zu den Füßen und sogleich erhob sich eine Dampfwolke vom Boden und aus den erhitzten Kleidern, als wäre er Eisen, das im Wasser gekühlt wurde.
    »Wolltet Ihr verbrennen?«
    Der Anführer aus dem Arsenale starrte ihn an, einen Eimer in der Hand. Hinter seinem Rücken drängten sich die Freiwilligen in einem Winkel, den die Wand des Campanile mit der Kirchenmauer bildete. Sie gossen sich abwechselnd Wasser über den Kopf, das aus einem Brunnen geschöpft wurde, andere befeuchteten die Decken.
    »Danke«, sagte Andrea aufatmend.
    »Wusstet Ihr nicht, dass im Feuer leben dasselbe ist wie unter Wasser leben?«, fragte der andere.
    Andrea betrachtete ihn, ohne den Sinn seiner Worte zu erfassen.
    »Man muss entweder ein Teufel oder ein Fisch sein, meint Ihr nicht?«, erklärte der Mann. »Seid Ihr zufällig ein Teufel?«, und gleichzeitig reichte er ihm die Hand. »Bepo Rosso, Werkmeister der marangoni. «
    Andrea drückte ihm kräftig die Hand – er hatte sich nicht geirrt.
    »Andrea«, er zögerte, »Andrea Loredan.«
    Bei diesem Namen schien der Werkmeister überrascht oder vielleicht eingeschüchtert zurückzuweichen.
    »Aha!«, rief er aus. »Ihr kamt mir gleich bekannt vor«, er verbeugte sich leicht, »Ser Loredan.«
    »Bitte nicht, das ist nicht nötig«, sagte Andrea verlegen.
    Der Werkmeister musterte ihn mit fragender Miene, dannhellte sich sein Gesicht auf und nahm den verschwörerischen Ausdruck des Mitwissers um ein Geheimnis an.
    »Geht in Deckung wie die anderen«, sagte er halblaut und begleitete Andrea zur Gruppe. »Durchtränkt Euch gründlich mit Wasser und nehmt eine nasse Decke mit, denn auf dem Weg zur Celestia werden wir wie die Hühner gegrillt.« Dabei reichte er ihm den Eimer.
    Andrea nickte lächelnd, hob den Eimer über seinen Kopf und goss sich noch mehr kaltes Wasser über das Gesicht. Er öffnete den Mund und trank in tiefen Zügen, bis er sich erfrischt fühlte. Dann ließ er sich das Wasser am Körper hinabrinnen, auch in die Stiefel. Bis zum letzten Tropfen.
    Unterdessen hatten sich die Freiwilligen, in die Decken gewickelt, zu zweit hintereinander aufgestellt. Sie sahen aus wie Mönche bei der Karfreitagsprozession. Bepo Rosso musterte sie prüfend, dann setzte er sich an die Spitze der Truppe.
    »Nicht rennen«, sagte er. Er zeigte auf den Rio della Celestia, der hier und da mit den roten Lichtreflexen des Feuers zwischen den Trümmern der Häuser auftauchte, und fuhr fort: »Wir gehen zusammen zum Wasser, füllen die Eimer und gehen Richtung Kirche. Wer uns entgegenkommt, wird in eine Decke gehüllt und mitgenommen. Klar?«

9
    Sie zogen los, ließen die Ruinen der Calle Sagredo zur Linken hinter sich und gingen zwischen den herausgerissenen Grabsteinen und den mit Schutt bedeckten Gräbern des Friedhofs von San Francesco hindurch. Vor ihnen lagen die Trümmer einer Reihe Häuser. Bei einem war die Innentreppe stehengeblieben. Dort versuchte ein Mann, einen Türflügel anzuheben. Sein Gesicht war von Brandwunden entstellt, die Haut dunkel und aufgedunsen, als wäre er leprakrank. »Caterina!«, rief er immer wieder verzweifelt zum Boden gewandt, in die Trümmerschicht hinein, die nichts anderes bedecken konnte als den Tod.
    »Wen habt Ihr dort unten?«, schrie der Werkmeister, um das laute Prasseln der Flammen zu übertönen.
    Der Mann hob die Augen und starrte ihn mit schmerzverzerrter Miene an. »Meine Tochter und meine Mutter«, brachte er mühsam heraus. »Sie schliefen zusammen im Zimmer im Erdgeschoss.« Er bewegte den Kopf, als wollte er Luftblasen erhaschen, und fasste sich an ein Ohr, um sich zu kratzen, doch das Ohr blieb in seinen Fingern hängen. Teilnahmslos betrachtete er es, aber seine Augen standen nicht still, als folgten sie dem Flug eines Insekts. »Auch Luca und Marcantonio sind dort unten«, sagte er.
    Der Werkmeister sah, dass sein Nacken und ein Teil des Kopfes schmorten und rauchten. Er versuchte, den Mann in eine nasse Decke zu hüllen. Dieser wich entsetzt zurück und wurde zornig. Er drohte mit erhobenen Fäusten.
    Andrea, der dazugekommen war, um zu helfen, erkannte in ihm einen Mann, der in der Münze arbeitete, einen gewissen Cenigo, Vetter von Antonio Milledonne, dem Sekretär des Rates der Zehn. Ein einfacher Bürger und Buchhalter, der ein
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