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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Autoren: Giuseppe Furno
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typisch ist für die Glashütten im nördlichen Mittelmeerraum und besonders in Venedig und Murano vom 12. bis in die Mitte des 18.   Jahrhunderts.
    Die durch Verbrennung von Meeresalgen gewonnene Sodaasche wurde als Flussmittel benutzt, um die Schmelztemperaturen des Glasbreis zu senken und das Endprodukt klar und kristallin zu machen. Anders die Technik der spanischen und nordeuropäischen Glasbläser, die dem Brei Pottasche untermischten, gewonnen aus der Verbrennung von Hartholz, und so ein matteres Glas von grau-bläulicher Tönung erhielten.
    Ein weiteres Element, das die Gläser von St. Augustine als Originale aus Murano kennzeichnete, war der doppelte Abdruck des pontello , eines massiven Eisenrohrs, mit dem der Glasbläser die Stücke über dem Feuer bearbeitete. Wenn die erlesenen Dekorationen hinzukamen, für die die Glaskünstler in Murano vom 15. bis zum 18.   Jahrhundert berühmt waren, wurden die vom Glasmeister und seiner Mannschaft geschmolzenen Stücke Malern anvertraut, welche die Emailverzierungen kalt auftrugen. Das so dekorierte Stück wurde dann abermals auf der Spitze des Pontello in den Ofen geschoben.
    Was dank der Hartnäckigkeit der Forscher herausgefunden wurde, hat das friedliche St. Augustine in einen wimmelnden Ameisenhaufen verwandelt. Ein Hotelzimmer findet nur, wer lange im Voraus bucht. In den Gässchen im reinsten spanischen Kolonialstil drängen sich die Touristen. Sogar der Sightseeing-Train musste seine Fahrten zwischen den neuen Parkplätzen am Stadtrand und dem Castillo de San Marcos vervierfachen. Denn vor allem dieses gewaltige, kantige Bollwerk aus Stein wollen die Touristen besuchen, während sie die Muschel- und Korallenstrände und die Golfplätze, die St. Augustine einst berühmt gemacht haben, links liegenlassen. Im Saal dieser Festung haben die einundsiebzig Bruchstücke aus Glas nämlich zu ihrer ursprünglichen Identität zurückgefunden. Hier kann man eine kostbare acquereccia , einen Wasserkrug in Form einer Galeere, und drei glockenförmige Trinkgläser Muraneser Machart aus der Mitte des 16.   Jahrhunderts bewundern.
    Der Krug zeigt außer geometrischen Mustern und Blumenverzierungen aus Glas am Heck der Galeere eine mythologische Figur, die möglicherweise einen Greif, wahrscheinlicher aber einen vergoldeten Drachen darstellt, dazu die Inschrift: In Hoc Signo Vinces . Das am vollständigsten erhaltene Trinkglas trägt neben Dekorationen mit Blumen, Rhomben, Zacken und Bändern aus rotem, weißem und gelbem Lack die teilweise gelöschte weiße Inschrift: Magister Jacobus . Das zweite, zum Großteil rekonstruierte Glas ziert eine Galeere mit geblähten Segeln. Vom dritten sind nur der bucklige Boden, der rundum ausgestellte Rand und ein großes Stück vom Mittelteil erhalten, auf dem ein Kreuz durchschimmert.
    So haben diese Fundstücke und die darauffolgenden Entdeckungen in den Archiven, Museen, öffentlichen Bibliotheken und privaten Sammlungen Venedigs und einem Dutzend anderer Orte auf der Welt die Vergangenheit von St. Augustine untrennbar mit der Vergangenheit Venedigs verbunden – und mit der Geschichte, die hier erzählt werden soll.

FEUER

1
    Venedig, 13.   September 1569
    Alles war in der Zeitspanne eines einzigen Atemzugs geschehen, kurz vor Mitternacht. Von diesem kurzen Moment waren Andrea ein Blitz, das Beben, der Knall, dann der Wind und zuletzt die Hitze und die Flammen in Erinnerung geblieben. Wer weiß, warum, aber im ersten Augenblick hatte er die Explosion dem Ende seiner Geschichte mit Taddea zugeschrieben. Wahrscheinlich hatte der Schlaf die beiden Ereignisse verbunden, die nichts miteinander gemein hatten, außer einer plötzlichen Veränderung.
    Das Gefühl war noch lebendig, ja, glühend stark. Andrea hatte sich an diesem Tag von Taddea getrennt, bei Sonnenuntergang. Er erinnerte sich an die rote Sonnenscheibe mitten über dem Rio Foscari, an Taddeas Tränen, während sie sich den Verlobungsring abstreifte und ihm zurückgab, an die Vorhänge aus violetter Seide, das Glucksen des Wassers an den Wänden der Gondel. Mehr erinnerte er nicht. Reue und Sehnsucht waren nachts gekommen, als Andrea sich hingelegt hatte. Reue wegen des Eheversprechens, das er gegeben und bei jeder Begegnung erneuert hatte, in Erwartung wer weiß welcher Entwicklungen. Sehnsucht nach Taddeas zarter, aber sinnlicher Schönheit, ihrem Duft, dem intensiven Geschmack ihrer Küsse. Sie hatten sich getrennt, weil ihre in früher Jugend entstandene Liebe
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