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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba
Autoren: Franziska Wulf
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den Grund nicht hätte nennen können, er wollte in der Dunkelheit vor San Tomás auf gar keinen Fall gesehen werden, ganz gleich, von wem.
    Im Inneren der Kirche war es wie immer dunkel und still. Noch stiller und dunkler als draußen in den Gassen der Stadt. Die meisten Kerzen vor der Statue der Heiligen Jungfrau waren bereits heruntergebrannt. Es roch nach kaltem Wachs, nach staubigen Steinen und altem, viel zu trockenem Holz. Nichts Lebendiges schien sich hier aufhalten zu wollen. Und es war kalt. Stefano erschauerte und verbarg fröstelnd die Hände in den weiten Ärmeln seiner Kutte. Seine dünnen Riemensandalen boten keinen Schutz gegen die eisige Kälte, die aus den Steinfliesen der Kirche kroch, und seine Füße fühlten sich bereits an, als wären sie abgestorben. Wenigstens trugen Carlos und Pedro Fackeln. Ihr flackerndes Feuer spendete nicht nur Licht, sondern auch ein wenig Wärme.
    »Habt ihr den Kirchenraum gründlich abgesucht?«, fragte Pater Giacomo, ohne die Diener anzusehen. Im Schein der Fackeln bildete sein Atem kleine Wolken.
    »Jawohl, Pater Giacomo«, antworteten Pedro und Carlos wie aus einem Mund, und die Wände der Kirche warfen ihre geflüsterten Worte als wisperndes Echo zurück.
    »Es hat sich niemand hier versteckt?«, fragte Pater Giacomo streng, als würde er den beiden immer noch keinen Glauben schenken. »Auch nicht im Beichtstuhl?«
    »Nein, Pater Giacomo.«
    »Keine Bettler, die sich auf der Suche nach einem warmen Unterschlupf hier verkrochen haben? Kein Diebesgesindel, das sich auf der Flucht vor der Miliz im Schutz des Hauses Gottes verbirgt? Nicht einmal ein altes, seniles Weib, das den Schluss der Abendmesse verschlafen hat?«
    Die beiden schüttelten die Köpfe.
    »Nein, ehrwürdiger Pater.«
    Pater Giacomo atmete geräuschvoll ein. Seine Nasenflügel blähten sich, als würde er versuchen Witterung aufzunehmen.
    Wie ein Hund, bevor er der Fährte des Wildes folgt, dachte Stefano, während er mit heftig klopfendem Herzen seinen Lehrer und Mentor beobachtete. Ob Pater Giacomo die Anwesenheit eines Eindringlings tatsächlich riechen konnte? Nicht gerade die eines Menschen, aber war er in der Lage, Wesen zu wittern, deren Anwesenheit der Wahrnehmung gewöhnlicher Menschen entging – wie es gewiss auf Kreaturen der Hölle zutraf? Hatte Gott, der Herr, ihm die Sinne geschärft, damit er seine Aufgabe besser erfüllen konnte? Diese Fragen stellte sich Stefano nicht zum ersten Mal. Pater Giacomo wusste so viel, er hatte so viele Gaben und Fähigkeiten, dass Stefano trotz all der Jahre, die er den Pater bereits auf seinem Weg hatte begleiten dürfen, immer wieder zwischen Ehrfurcht und Furcht hin und her schwankte.
    Wie gebannt sah er zu, wie Pater Giacomo mit geschlossenen Augen und geblähten Nasenflügeln, den Kopf nach allen Seiten drehend, die Luft einsog. Unwillkürlich fragte er sich, was geschehen würde, wenn die Kirche in dieser Nacht nicht leer war, wenn sich irgendwo in den Schatten zwischen den Säulen vielleicht ein Dämon versteckt hatte. War er vorbereitet auf den Anblick oder gar den Kampf gegen eine der Kreaturen der Hölle? Stefano begann zu zittern, seine Eingeweide fingen an sich in seinem Leib zu winden und zu drehen. Ihm wurde übel, und trotz der in der Kirche herrschenden Kälte trieb ihm die Angst den Schweiß auf die Stirn. Er versuchte an etwas anderes zu denken, sich durch ein stummes Gebet abzulenken. Dennoch konnte er seine Augen nicht von Pater Giacomos Gesicht und seiner witternden Nase abwenden.
    Endlich – es kam Stefano vor, als wäre eine halbe Ewigkeit verstrichen – hoben sich Pater Giacomos Mundwinkel. Diese Veränderung war kaum sichtbar, aber da Stefano so sehnsüchtig darauf gewartet hatte, entging sie ihm nicht. Erleichtert atmete er auf, und sein Herz, das bis in seinen Hals hinaufgestiegen zu sein schien, sank wieder an seinen angestammten Platz in seiner Brust zurück. Pedro und Carlos hatten nichts übersehen und sich auch nicht von einer höllischen List täuschen lassen. Außer ihnen war niemand in der Kirche. Alles war so, wie es sein sollte.
    »Kommt«, sagte Pater Giacomo und durchquerte mit langen Schritten das Kirchenschiff. Vor der in Stein gehauenen Kanzel, die sich an einer der tragenden Säulen emporwand, blieb er erneut stehen. Er breitete die Arme aus und schloss die Augen. Dann sprach er das Gebet, das den Teufel von diesem Ort fern halten sollte.
    Nachdem er zu Ende gesprochen und das Kreuzzeichen über dem
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