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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba
Autoren: Franziska Wulf
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mich an dich wenden.«
    »An mich? Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Er schreibt, du könntest mir möglicherweise mehr darüber erzählen. Aber ich weiß nicht so recht … Soll ich das wirklich machen? Ich finde, es ist noch zu früh und … Ich meine, es ist doch nicht einmal erwiesen, dass sie wirklich tot sind, oder? Vielleicht sitzen sie als Schiffbrüchige irgendwo …«
    »Nein, Giancarlo«, unterbrach ihn Anne. »Glaub mir, Cosimo und Anselmo sitzen nicht mitten im Atlantik auf einer verlassenen Insel. Sie sind tot.«
    Einen Augenblick lang schwieg Giancarlo am anderen Ende der Leitung. Sie hörte nur schweres Atmen und ein leises unterdrücktes Schluchzen. Offenbar weinte er.
    »Heilige Maria«, sagte er schließlich. »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    »Meinst du … Haben sie es selbst getan?«
    Anne zögerte. »Ich schätze, sie haben es irgendwie geahnt. Du kennst doch Cosimo. Er scheint immer mehr zu wissen als andere Menschen.«
    Kannte, wusste – es fiel ihr schwer, diese Worte in der Vergangenheit auszusprechen. Alles wurde dadurch so endgültig . So endgültig wie ihr Abschied auf dem Flughafen von Córdoba. Sie hatte es gewusst. Sie hatte es da schon gewusst, und doch hatte sie nichts getan.
    »Ja, du hast Recht«, sagte Giancarlo und schnäuzte sich. »Und wie denkst du über die Stiftung? Soll ich wirklich …«
    »Mach es, Giancarlo«, antwortete Anne. »Erstens will Cosimo es so. Zweitens bist du der richtige Mann dafür. Aber mach dich schon mal mit dem Gedanken vertraut, dass du keine Zeit mehr für andere Dinge haben wirst. Es ist zwar schade um deine Trattoria, aber …«
    Wieder dachte sie an den Weinkeller, in dem wahrscheinlich hunderte unermesslich wertvoller Gemälde lagerten.
    »Ach, das ist doch egal im Vergleich zum letzten Willen eines Freundes. Die Trattoria war ohnehin nichts anderes als ein Zeitvertreib.« Er seufzte. »Aber ich kann es immer noch nicht glauben. Es ist so unfassbar. Florenz wird leer sein ohne die beiden.« Er seufzte wieder. »Doch wir müssen wohl weitermachen und ihre Wünsche erfüllen. Bleiben wir in Kontakt?«
    »Natürlich, Giancarlo.«
    »Das ist schön. Weißt du, es gibt nämlich nicht viele, die Cosimo und Anselmo gekannt haben. Und ich glaube, dass ich manchmal gern mit jemandem über die beiden sprechen würde.«
    Ich auch, dachte Anne.
    »Ja. Bis bald.«
    »Bis bald, Anne.«
    Sie legte auf und ging zu dem Paket, das immer noch auf ihrem Sofa lag. Erst las sie den beiliegenden Brief. Sofort erkannte sie Cosimos Schrift.
    »Liebe Señora Anne,
    verzeihen Sie mir all die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen im Laufe der letzten Woche bereitet habe. Seien Sie gewiss, dass es nicht mehr vorkommen wird, denn, wie Sie vielleicht mittlerweile gehört haben, Anselmo und ich haben ebenfalls das Drachenöl zu uns genommen. Zu lange schon haben wir darauf gewartet, endlich Frieden zu finden. Zu viele geliebte Menschen mussten wir zu Grabe tragen. Der Mensch ist nicht für die Ewigkeit geschaffen, das musste ich im Laufe von mehr als fünfhundert Jahren schmerzlich erfahren. Doch jetzt können wir uns endlich die Ruhe gönnen. Und das haben wir Ihnen zu verdanken. Deshalb möchte ich Ihnen als Abschiedsgeschenk ein Bild überreichen, das wohl kaum jemandem auf der Welt so viel bedeuten wird wie Ihnen. Ein Freund von mir hat es nach meinen Angaben vor etwa fünfzig Jahren gemalt. Mögen Sie viel Freude damit haben. Ich wünsche Ihnen noch ein langes, erfülltes und glückliches Leben,
    Ihr ergebener
    Cosimo de Medici.
    PS: Um zu verhindern, dass weiterer Schaden durch das Elixier der Ewigkeit verursacht wird, haben Anselmo und ich die Pergamente in einer Bleikassette verschlossen mit uns genommen . Wir hoffen und beten, dass sie auf dem Grund des Atlantischen Ozeans ewig verschollen bleiben werden.«
    Vorsichtig öffnete Anne das Packpapier von dem Bild. Die Rückseite sah sie zuerst. In einer ihr wohlbekannten Schrift stand dort geschrieben »Porträt eines unbekannten Heiligen. Für meinen Freund Cosimo von Pablo.«
    Mit zitternden Händen drehte sie es um und blickte auf eine wunderbare Kreidezeichnung. Sie zeigte auf abstrakte, aber doch unverkennbare Weise das Porträt von Stefano. Ihrem Sohn. Und der Maler war … Es war unvorstellbar. Unglaublich . Anne zitterte am ganzen Körper. Sie musste sich erst einmal setzen. Den Blick konnte sie von dem Bild nicht losreißen. Stefano.
    Als sie sich erholt hatte, schaltete sie ihren CD-Spieler an und trat wieder ans
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