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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut
Autoren: Lynn Raven
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Boston, Massachusetts, USA
    D ie Kondome knisterten in meiner Gesäßtasche. Eines hatte ich haben wollen. EINES! Josh hatte mir gleich mehrere in die Hand gedrückt und grinsend ein »Nur zur Sicherheit!« nachgeschoben. Mein reizender Kollege Josh, der die genialsten Cocktails der Ostküste mixte, das heißeste Lächeln des ganzen Kontinents hatte und gewöhnlich nichts anbrennen ließ. Was hatte mich geritten, ausgerechnet ihn zu fragen? Ach ja. Der Umstand, dass er so gnadenlos schwul war, dass sich vermutlich schon ganze Legionen weiblicher Wesen die Augen wegen so viel Verschwendung ausgeheult hatten – und ich deshalb angenommen hatte, er würde mir keinen dummen Spruch drücken. Hatte er genau betrachtet auch nicht, aber irgendwie hatte ich wohl erwartet, er wäre bei der Übergabe etwas … diskreter. Nun – falsch gedacht, Lucinda.
    Ich starrte in den fleckigen Spiegel über den Waschbecken. Beinah erwartete ich, dass fremde, glitzernde Augen zurückstarren würden …
    Warum hatte auch ausgerechnet heute der Kondomautomat vor den Toiletten leer sein müssen? – Warum war ich ausgerechnet heute zu dem Entschluss gekommen, dass ich nicht Nein sagen
würde, sollte Cris mich heute Nacht fragen, ob ich mit ihm schlafen wollte? – Vielleicht weil Bratt mich zu Beginn meiner Schicht in sein Büro gerufen hatte, um mir nicht nur meinen Lohn für den letzten Monat zu geben, sondern auch um mir zu sagen, dass ich ihm noch mal meine Papiere vorbeibringen sollte, da mit den Daten in seinen Unterlagen etwas nicht stimmte? Vielleicht weil mir in dem Moment klar geworden war, dass meine Zeit mal wieder abgelaufen war? Wobei: Genau genommen war sie das schon eine ganze Weile. Tick-tack-tick-tacktick. Ich hatte nur den Wecker nicht gehört. – Nein, ich hatte ihn nicht hören wollen.
    Jetzt hatte ich jedenfalls eindeutig ein Problem: Meine Papiere waren so falsch wie der Name, unter dem mich alle im Forty-two kannten. Wenn Bratt – oder irgendjemand anders – sie genauer unter die Lupe nahm, war ich geliefert. Wenigstens hatte er mir meinen Lohn trotzdem vollständig ausbezahlt. Zum Glück. Das Bündel Geldscheine war ein beruhigender Druck in meiner Hosentasche. Ich würde also einmal mehr einfach verschwinden. Ohne ein Wort zu sagen, schlicht nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Meine Sachen packen und weiterziehen. Wie immer. Nur dass ich dieses Mal nicht weiterziehen wollte. Noch nicht. Wegen Cris. Cris, mit seinen blonden Locken, deren Ansatz mir verraten hatte, dass sie von Natur aus deutlich dunkler waren, und den sanften, hellbraunen Augen. Cris, dessen Anblick mein Herz schneller schlagen ließ und der mich behandelte, als sei ich etwas unendlich Kostbares. Er war das Beste, was mir in meinem ganzen Leben passiert war. Ich war selbstsüchtig genug, ihn nicht aufgeben zu wollen. Manchmal brauchte auch ich einen Traum, an dem ich mich festhalten konnte. Und wenn es nur für kurze Zeit war.

    Vielleicht konnte ich ja doch noch in der Stadt bleiben und mir einfach nur einen anderen Job suchen? Boston war groß – und anonym genug. Ich könnte weiter im Boston Animal Shelter helfen, jeden Tag Jasper sehen, seine Wuschelohren kraulen, mein Gesicht in seinem Fell vergraben – zumindest bis er eine nette Familie gefunden hatte …
    Ich war es Leid davonzulaufen. Nie irgendwo länger bleiben zu können als ein paar Wochen oder höchstens Monate, wenn ich Glück hatte; kein wirkliches Zuhause, keine richtigen Freunde zu haben … Aber letztlich hatte ich keine andere Wahl. Weil ich war, was ich war: eine Blutbraut. Sie werden dich jagen, solange du lebst, Lucinda. Du darfst niemals zu lang an einem Ort bleiben, sonst werden dich die Hexer der Hermandad finden. Wieder und wieder hatte Tante María es mir eingehämmert. Und dann hatte einer von ihnen sie umgebracht. Es ist nicht fair! Beinah hätte ich aufgelacht. Nichts in meinem Leben war fair. Und das alles hatte ich ihm zu verdanken. Joaquín de Alvaro. Der mein Blut zum Überleben brauchte. Egal ob ich wollte oder nicht. Monster!
    »Ach, hier bist …«
    Mit einem hohen Laut schreckte ich zu der Stimme herum. Meine Tasche schlug gegen meine Hüfte.
    In der Tür des Waschraumes hob Pam abwehrend die Hände. »Shit, bist du heute schreckhaft, Mia.«
    »Tut mir leid …« Ich zwang mich, die Hand von dem Springmesser in meiner Hosentasche zu lösen und sie möglichst unauffällig zurückzuziehen. »Ich …«
    »He, vor mir musst du dich nicht rechtfertigen,
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