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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba
Autoren: Franziska Wulf
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Sie hingegen hatte noch gestern sein wunderbares kastanienbraunes Fell gestreichelt.
    »Natürlich.«
    »Der Bursche hat mir immer Streiche gespielt und …« Er lächelte verschämt, und seine Wangen färbten sich leicht rosa. »Ich hatte Angst vor Pferden, wissen Sie? Eine Höllenangst . Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist. Aber dieses Tier wusste es. Und es hat mich geärgert, wo es nur konnte. Doch dann … Mutter Maddalena hatte Recht. Sie hatte mir prophezeit, dass ich in der Gefahr meine Angst besiege. Und so war es auch. Als die Inquisition das Kloster niedergebrannt hatte, habe ich mir einfach Ricardo geschnappt. Und obwohl er mehr Angst vor dem Feuer hatte als ich jemals vor ihm, hat er mich dorthin getragen. Seitdem waren wir beide Freunde. Und ich habe meine Angst vor Pferden verloren.« Er sah zu dem ehemaligen Stall hinüber, als könnte dort jeden Augenblick Ricardos Kopf erschienen. Vielleicht hörte er sogar das fröhliche Wiehern des Pferdes. Dann wandte er den Blick ab und lächelte. Aber es war ein trauriges, wehmütiges Lächeln voller Erinnerungen.
    Unterdessen schloss Cosimo die Tür der Hazienda ab. Dann tat er etwas Seltsames. Er steckte die Schlüssel in einen gepolsterten braunen Umschlag, klebte ihn zu und reichte ihn Anselmo. Anne konnte erkennen, dass der Umschlag einen UPS-Aufkleber trug mit der Adresse eines Dr. Sampione in Florenz.
    Wahrscheinlich sein Arzt, dachte Anne. Aber wieso schickt Cosimo ihm die Schlüssel der Hazienda? Natürlich, auch Ärzte machen schließlich irgendwann einmal Urlaub. Und vielleicht will Dr. Sampione die nächsten Tage oder Wochen in Andalusien verbringen. Das war eine logische Erklärung. Trotzdem spürte sie dabei eine seltsame Unruhe.
    »Können wir losfahren?«, fragte Anselmo.
    Cosimo nickte, sie stiegen ein, und Anselmo startete den Wagen. Langsam fuhren sie aus dem Tor. Anne drehte sich noch einmal um und blickte zur Hazienda zurück. Sie war schön, wie sie friedlich und still mit weiß schimmernden Mauern inmitten der saftigen Weiden lag. Ob sie dieses Anwesen wohl jemals wieder sehen würde?
    Niemand im Wagen sprach ein Wort. Nach einer Weile fiel Anne auf, dass sie nicht die Straße nach Córdoba einschlugen, sondern stattdessen einem schmalen Schotterweg folgten, der offenbar in die Berge führte, und sie erkannte den Weg zur Einsiedelei.
    Es dauerte auch gar nicht lange, da tauchte vor ihnen zwischen Pinien und Olivenbäumen der Turm einer kleinen Kirche auf. Und wenig später erreichten sie das Gelände des Klosters. Wo einst die Einsiedelei mit ihren Lehmhütten und Kräuterbeeten gestanden hatte, befand sich jetzt ein malerisches Dorf mit zahlreichen alten, aber auch neuen Häusern , die sich um die kleine Kirche gruppierten wie spielende Kinder. Frauen fegten vor ihrer Haustür, hängten Wäsche auf oder plauderten miteinander. Vor einer Bar standen zwei Tische, an denen alte Männer saßen, sich unterhielten und Kaffee tranken. Zwei Katzen strolchten um die Ecke, und eine Hand voll Kinder spielten miteinander Verstecken. Anselmo hielt auf dem Platz vor der Kirche an, und sie stiegen aus.
    »Ich dachte, die Kirche und das Kloster seien vollständig zerstört worden?«, fragte Anne und betrachtete den Brunnen in der Mitte des Platzes, aus dem schon Mutter Maddalena das Wasser für ihre Beete geschöpft hatte.
    »Sie sind tatsächlich zerstört worden«, erklärte Cosimo. »Aber Stefano hat sie wieder aufgebaut. Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
    Er ging mit ihr in die kleine, schlichte Kirche – ein paar Holzbänke, ein einfacher Altar, ein altes hölzernes Kruzifix, weiß getünchte Wände. Ein paar Kerzen brannten, und frische Blumen standen auf dem Altar und vor der Statue der Muttergottes. Durch eine schmale Seitentür verließen sie die Kirche wieder und standen auf einem Friedhof. Cosimo winkte sie zu einem der Gräber, auf dem ein schlichtes steinernes Kreuz stand. Die Inschrift war so verwittert, dass Anne sie nicht lesen konnte, aber der Stein war glatt, als ob er mit Schleifpapier poliert worden wäre, und frische Blumen lagen auf dem Grab. Anne sah Cosimo fragend an.
    »Das ist das Grab von Stefano. Er hat sich nicht damit begnügt, nur die Kirche wieder aufzubauen, die auf Giacomos Befehl niedergebrannt worden war, er hat Land gekauft, das Dorf gegründet und damit den Familien von Opfern der Inquisition ein neues Leben ermöglicht. Und zwei oder drei Jahre später, als ein anderer Inquisitor eingesetzt
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