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Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba
Autoren: Franziska Wulf
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Anne erinnerte es an das Etui, in dem sie ihre Reiseunterlagen für Jerusalem erhalten hatte, und eine panische Sekunde lang glaubte sie, dass es immer noch nicht vorbei war, dass man sie jetzt auf eine weitere Fahrt schicken würde, irgendwohin, in irgendeine Zeit. Vielleicht diesmal nach London? Oder Paris? Welcher geschichtliche Schauplatz würde wohl jetzt auf sie warten?
    »… Direktflug zu chartern«, sagte Cosimo, und erst jetzt wurde Anne bewusst, dass er schon die ganze Zeit mit ihr sprach.
    »Bitte, was haben Sie gesagt?«
    Er lächelte. »Sie sind durcheinander, Señora Anne. Aber das ist verständlich nach allem, was Sie erlebt haben. Ich sagte nur, dass ich Ihnen weitere Umwege ersparen wollte und mir daher erlaubt habe, eine kleine Maschine für einen Direktflug in Ihre Heimatstadt Hamburg zu chartern. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?«
    »Nein, überhaupt nicht. Aber …« Anne war verwirrt. »Ich dachte, wir fliegen wieder gemeinsam nach Madrid, und dann …«
    Cosimo schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, Señora Anne, aber Anselmo und ich haben noch etwas in der anderen Richtung , im Westen, zu erledigen.«
    Und wieso habe ich den Eindruck, dass es mit diesem Koffer zu tun hat?, dachte Anne und spürte wieder dieses Unbehagen , das sie nicht verlassen hatte, seit sie von der Hazienda losgefahren waren. Aber bestimmt hatte es nichts zu bedeuten . Sie war einfach nur aufgeregt, sonst nichts.
    »Gut, dann …« Sie streckte die Hand aus, um sich von Cosimo zu verabschieden.
    »Oh, wir begleiten Sie noch ein Stück«, sagte Cosimo, und Anselmo nahm ihren Koffer.
    Sie durchquerten die Halle und gingen zu dem kleinen Schalter, an dem die Privatmaschinen abgefertigt wurden. Anselmo reichte einer Frau vom Flughafenpersonal die Unterlagen .
    »Jetzt ist der Zeitpunkt des Abschieds gekommen«, sagte Cosimo und ergriff Annes Hand. »Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Señora Anne. Es tut mir Leid, dass wir Ihnen in den vergangenen Tagen so viel Mühe und Unannehmlichkeiten bereitet haben, dass wir Sie quer durch Europa geschleppt und dazu gebracht haben, das Elixier zu trinken. Aber leider hatten wir keine andere Wahl. Ich werde Sie eines Tages dafür entschädigen. Das ist ein Versprechen.« Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. Seine Lippen waren warm, und sein Gesicht wirkte nicht ganz so blass wie sonst. »Vielen Dank für alles. Leben Sie wohl, Señora Anne.«
    Kam es ihr nur so vor, oder zitterte seine Stimme bei diesen Worten?
    »Leben Sie wohl«, sagte nun auch Anselmo, und auch er küsste sie.
    »Auf Wiedersehen, Anselmo«, sagte Anne, während sich ihr Magen drehte. Warum nahm er die Sonnenbrille nicht ab? Sie hätte gern seine Augen gesehen.
    »Nun müssen Sie gehen«, meinte Cosimo und deutete auf einen Mann vom Bodenpersonal, der auf der anderen Seite des Schalters stand und ungeduldig winkte. »Sonst verpassen Sie noch unseretwegen die Starterlaubnis.«
    »Ich weiß nicht …« Hilflos sah sie die beiden Männer an, die so jung und attraktiv ausschauten und doch über fünfhundert Jahre alt waren. Männer, die sie im Grunde erst seit einer Woche und doch schon ein ganzes Leben lang kannte. Männer, mit denen sie so viel Schreckliches und zugleich Schönes erlebt hatte. Sie wollte ihnen so vieles sagen, sich ebenfalls bei ihnen bedanken, sie zu sich nach Hamburg einladen , doch ihre Zunge schien am Gaumen festzukleben. Und irgendwie spürte sie plötzlich, dass etwas nicht stimmte. Irgendetwas an dieser Szene war so … Das passende Wort wollte ihr einfach nicht einfallen.
    »Gehen Sie«, wiederholte Cosimo mit einem Lächeln.
    Anne nahm ihren Koffer und ging durch die Kontrolle. Nachdem sie dem Mann ihren Koffer gegeben hatte, wandte sie sich noch einmal um. Dort standen Cosimo und Anselmo, als wären sie inmitten des Trubels und der Hektik auf einem einsamen Felsen gestrandet, unberührt von den Menschen um sie herum, unberührt von der Zeit. Und plötzlich hatte sie das Wort, das ihr eben noch gefehlt hatte – endgültig. Diese Szene hatte so etwas Endgültiges. Mit einem Mal wusste sie so sicher, wie sie ihren Namen, ihre Telefonnummer und das Ergebnis von eins plus eins wusste, dass sie Anselmo und Cosimo nie wieder sehen würde.
    Anselmo und Cosimo blickten Anne nach, bis sie zwischen den Glastüren verschwunden war. Dann sahen sie einander an.
    »Ist unsere Maschine startklar?«
    Anselmo nickte. »Ich mag sie«, sagte er und seufzte. Man sollte meinen, dass
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