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Tödliche Nähe

Tödliche Nähe

Titel: Tödliche Nähe
Autoren: Shiloh Walker
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1
    Mittlerweile war Jolene seit sechs Monaten tot.
    Seit sechs langen Monaten.
    Nia Hollister lag im Bett, starrte an die Decke und versuchte krampfhaft, einzuschlafen. Aber es wollte ihr nicht gelingen. Auch nach so langer Zeit wurde es nicht einfacher. Nichts war einfacher geworden. Zu schlafen nicht, zu leben nicht, weiterzumachen nicht.
    Aber wie sollte ihr das alles auch gelingen, wenn doch ihre Cousine, ihre beste Freundin und einzige Verwandte, nicht mehr am Leben war? Ermordet … tot und begraben, geschändet von einem Ungeheuer. Nia begriff die Tat nicht einmal ansatzweise.
    Selbst nach einem halben Jahr fühlte es sich noch so an, als hätte sie ein Loch von der Größe des Bundesstaats Virginia in der Brust.
    Dass Joelys Mörder inzwischen ebenfalls tot war, änderte rein gar nichts. Nicht für Nia. Es machte überhaupt keinen Unterschied, linderte ihr Leid nicht. Es hatte nicht einmal geholfen, dabei zuzusehen, wie seine nichtsnutzige Leiche ins Grab hinabgelassen wurde.
    Das hätte es doch leichter machen sollen, richtig?
    Er war tot – der Mann, der ihre Cousine umgebracht hatte, weilte nicht mehr unter den Lebenden. Nun sollte sie einen Schlussstrich ziehen können, oder nicht?
    Einen Schlussstrich …
    Was für ein Quatsch!
    Glaubten die Leute wirklich, dass es half, einen Schlussstrich darunter zu ziehen?
    Ihr brachte das jedenfalls überhaupt nichts. Nun wusste sie zwar, wer der Täter gewesen war … aber wie sollte sie das trösten?
    Erschöpft, zu Tode betrübt und noch mit demselben elenden Gefühl wie an dem Tag, als sie von Joelys Tod erfahren hatte, setzte Nia sich auf. Sie wühlte in ihrem Nachttisch herum, bis sie eine zerdrückte Schachtel Zigaretten in den Händen hielt.
    Vor drei Jahren hatte sie mit dem Rauchen aufgehört – und vor fünfeinhalb Monaten wieder angefangen. Immer wieder sagte sie sich, dass sie es sich abgewöhnen musste, aber sie konnte sich einfach nicht dazu aufraffen.
    Momentan war es ihr ziemlich egal, ob sie ihre Lunge schädigte oder nicht – was spielte das schon für eine Rolle? Kaum etwas spielte zurzeit überhaupt eine Rolle für sie.
    Seufzend zündete sie sich eine Zigarette an, stieg aus dem Bett und stellte sich ans Fenster. Draußen war es dunkel und ruhig. Sie befand sich weit genug außerhalb der Stadt mit ihren Lichtern, sodass sie die Sterne sehen konnte.
    Früher hatte sie Nächte wie diese geliebt.
    Nun hasste sie sie, hasste die Stille und den Frieden. In solchen Momenten vernahm sie es wohl am lautesten. Sie hörte Joely . Zwar spielte ihr nur ihre Einbildung einen Streich, aber es schien so wirklich.
    Joelys Schreie … Gott, wie sie geschrien haben musste. Hatte sie gebettelt? Hatte sie gefleht?
    »Verdammt.«
    Trotz der brennenden Zigarette zwischen ihren Fingern presste sie sich die Hände auf die Augen, als müsste sie so die Schreie nicht mehr hören und nicht mehr über ihre Cousine nachdenken.
    Ihre beste Freundin.
    Sie war von einem kranken Wichser ermordet worden, der inzwischen das Gras von unten betrachtete. Wenigstens das hätte Nia ein bisschen trösten sollen.
    Doch das tat es nicht. Das Ganze fühlte sich immer noch an, als wäre es … nicht abgeschlossen.
    Sie stieß einen Seufzer aus und betrachtete die Zigarette in ihrer Hand. »Ich werde mir noch die eigenen Haare in Brand setzen«, brummelte sie. Dann nahm sie einen tiefen Zug. Während der Rauch ihre Lunge füllte, legte sie den Kopf in den Nacken und schaute an die dunkle Decke.
    Ja, es fühlte sich verdammt unabgeschlossen an.
    Aber Joe Carson hatte Joelys Uhr bei sich gehabt, und ihre Kleidung war zusammen mit anderen Beweisstücken in der Hütte gefunden worden, in der er sich verschanzt hatte.
    Konnte man den Ermittlern da verdenken, dass sie den Mann für schuldig hielten?
    Jemand hatte ihr das Ganze einmal erklärt, und auf eine kranke, verworrene Art ergab es sogar irgendwie Sinn.
    Hope Carson hatte ihren gewalttätigen Mann verlassen und war aus Angst, dass er sie aufspüren könnte, zwei Jahre lang von einem Ort zum nächsten gezogen. Schließlich hatte sie beschlossen, bei ihrem Freund Law Reilly einzuziehen. Ihr Ex hatte sie wohl die ganze Zeit über genau beobachtet. Was aber die Reihenfolge der Ereignisse anging … Nein, in dem Punkt fand Nia die Erklärung gar nicht überzeugend. Immerhin war ihre Cousine schon vor Hopes Ankunft in Ash entführt worden. Den Einwand hatten die Bullen allerdings nur schulterzuckend abgetan.
    Ihre Freundschaft mit Reilly war
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