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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm
Autoren: John Grisham
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Mutter. Zehn Monate später trat ich auf den Plan.
    Ich hatte die Seesäcke noch nie gesehen. Soweit ich wusste, waren sie seit dem Krieg nicht mehr benutzt worden. Als ich am nächsten Morgen das Wohnzimmer betrat, standen sie beide da, halb gefüllt mit Kleidung. Meine Mutter suchte die Dinge zusammen, die noch gepackt werden mussten. Auf dem Sofa lagen ihre Kleider, Decken und ein paar Hemden, die sie am Vortag gebügelt hatte. Ich fragte sie nach den Seesäcken, und sie sagte, dass sie die letzten acht Jahre im Speicher über dem Geräteschuppen gelagert hätten.
    »Jetzt beeil dich und geh frühstücken«, sagte sie und legte ein Handtuch zusammen.
    Gran sparte nicht an unserem letzten Frühstück. Es gab Eier, Würste, Schinken, Hafergrütze, Bratkartoffeln, gebratene Tomaten und frische Brötchen. »Es ist eine lange Busfahrt«, sagte sie.
    »Wie lang?«, fragte ich. Ich saß am Tisch und wartete auf meine erste Tasse Kaffee. Die Männer waren irgendwo draußen.
    »Dein Vater hat achtzehn Stunden gesagt. Weiß der Himmel, wann du die nächste anständige Mahlzeit kriegen wirst.« Sie stellte vorsichtig den Kaffee an meinen Platz und küsste mich auf den Kopf. Nur ein in ihrer Küche mit Zutaten von der Farm gekochtes Essen war in Grans Augen ein anständiges Essen.
    Die Männer hatten bereits gefrühstückt. Gran saß neben mir mit ihrer Tasse Kaffee und sah mir zu, während ich mir das Festmahl einverleibte, das sie aufgetischt hatte. Wir gingen noch einmal die Versprechen durch - Briefe zu schreiben, meinen Eltern zu gehorchen, in der Bibel zu lesen, zu beten, aufzupassen, dass ich kein Yankee wurde. Es war ein richtiger Abruf von Geboten. Ich kaute und nickte in den entscheidenden Momenten.
    Sie erklärte, dass meine Mutter Hilfe brauchen würde, wenn das neue Baby geboren wäre. In Flint wären noch andere Leute aus Arkansas, gute Baptistenseelen, auf die Verlass war, aber ich müsste bei der Hausarbeit helfen.
    »Was für Hausarbeit?«, fragte ich mit vollem Mund. Ich dachte, meine Hilfe wäre nur auf der Farm vonnöten gewesen. Ich dachte, das hätte ich endlich hinter mir.
    »Dinge im Haus«, sagte sie plötzlich vage. Gran hatte nicht eine Nacht ihres Lebens in einer Stadt verbracht. Sie hatte keine Ahnung, wo wir wohnen würden, und wir wussten es auch nicht. »Du hilfst einfach, wenn das Baby da ist«, sagte sie.
    »Was ist, wenn es schreit wie das Latcher-Baby?«, fragte ich.
    »Das wird es nicht. Noch nie hat ein Baby so Geschrieen.«
    Meine Mutter ging mit einem Arm voller Kleidung durch die Küche. Sie bewegte sich schnell. Seit Jahren hatte sie von diesem Tag geträumt. Pappy und Gran und vielleicht sogar mein Vater glaubten, dass wir bald zurückkehren würden. Für meine Mutter war unser Aufbruch dagegen ein Meilenstein.
    Der Tag war ein Wendepunkt nicht nur in ihrem Leben, sondern auch und vor allem in meinem. Sie hatte mich früh überzeugt, kein Farmer werden zu wollen, und indem wir jetzt gingen, durchtrennten wir Bande.

    Pappy kam in die Küche und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. Er saß auf dem Stuhl am Ende des Tischs neben Gran und sah mir beim Essen zu. Begrüßungen lagen ihm nicht, Abschied nehmen war ihm noch unangenehmer. Je weniger geredet wurde, umso besser für ihn.
    Nachdem ich mich so voll gestopft hatte, dass ich mich schon nicht mehr wohl fühlte, gingen Pappy und ich auf die Veranda vor dem Haus. Mein Vater lud die Seesäcke auf den Pick-up.
    Er trug eine gestärkte khakifarbene Arbeitshose, ein gestärktes weißes Hemd, keinen Overall. Meine Mutter hatte ein hübsches Sonntagskleid an. Wir wollten nicht aussehen wie Flüchtlinge von den Baumwollfeldern Arkansas’.
    Pappy führte mich zu der Stelle im Hof, wo einst die zweite Base gewesen war, dort drehten wir uns um und sahen zum Haus. Es glühte im klaren Licht der morgendlichen Sonne.
    »Gute Arbeit, Luke«, sagte er. »Du hast gute Arbeit geleistet.«
    »Mir wär’s lieber, wenn wir fertig geworden wären«, sagte ich.
    Ganz rechts, an der Ecke, an der Trot angefangen hatte, war ein Teil nicht gestrichen. Wir hatten die letzten Eimer so weit wie möglich gestreckt, trotzdem hatte es nicht ganz gereicht.
    »Vermutlich zwei Liter«, sagte Pappy.
    »Ja, Sir. Das wird hinkommen.«
    »Ich werd’s im Winter machen«, sagte er.
    »Danke, Pappy.«
    »Wenn ihr nach Hause kommt, ist es fertig.«
    »Das wär schön.«
    Wir gingen alle zum Pick-up und umarmten Gran zum letzten Mal. Einen Augenblick dachte ich, sie würde
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