Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
waren optimistisch, dass sie 1952 noch einmal Baumwolle pflücken würden.
    Das Problem war Bargeld. Sie hatten fast keins mehr, und es bestand keine Hoffnung auf weitere Einkünfte. Sie hatten kaum mehr genug, um bis Weihnachten Strom und Benzin zu bezahlen.
    »Jimmy Dale hat einen Job für mich im Buick-Werk«, sagte mein Vater. »Aber er kann nicht mehr lange warten. Es gibt nur wenige Stellen. Wir müssen bald rauffahren.«
    Laut Jimmy Dale wurden derzeit drei Dollar die Stunde gezahlt, vierzig Stunden die Woche, und es war möglich, Überstunden zu machen. »Er meint, dass ich an die zweihundert Dollar pro Woche verdienen kann«, sagte mein Vater.
    »Wir werden so viel wie möglich nach Hause schicken«, fügte meine Mutter hinzu.
    Pappy und Gran protestierten, aber alle wussten, dass es beschlossene Sache war. In der Ferne hörte ich Lärm, ein vage vertrautes Geräusch. Als es näher kam, zuckte ich zusammen und wünschte, ich hätte mich auf der vorderen Veranda versteckt.

    Das Baby war wieder da, zornig und zweifellos versessen auf Vanilleeis. Ich schlich von der Veranda und ging ein paar Schritte Richtung Scheune. In den Schatten sah ich Libby und Mrs Latcher, die auf das Haus zusteuerten. Ich kauerte mich neben den Hühnerstall und horchte. Das ununterbrochene Plärren hallte auf unserer Farm wider.
    Gran und meine Mutter erwarteten sie auf der Veranda. Ein Licht wurde angeschaltet, und ich beobachtete, wie sie sich um das kleine Ungeheuer scharten und es dann ins Haus trugen.
    Durch das Fenster sah ich, wie mein Vater und Pappy auf die vordere Veranda flüchteten.
    Da sich vier Frauen um ihn kümmerten, dauerte es nur ein paar Minuten, bis er aufhörte zu weinen. Kaum war alles wieder ruhig, kam Libby aus der Küche und setzte sich an der Stelle auf die Veranda, an der auch Cowboy gesessen und mir sein Klappmesser gezeigt hatte. Ich ging zum Haus, und als ich nur noch ein paar Meter entfernt war, sagte ich: »Hallo, Libby.«
    Sie erschrak, beruhigte sich jedoch gleich wieder. Die Nerven des armen Mädchens waren dank der Koliken des Babys gereizt. »Luke«, sagte sie. »Was machst du da?«
    »Nichts.«
    »Komm, setz dich zu mir«, sagte sie und klopfte auf den Platz neben sich. Ich tat, wie mir geheißen.
    »Schreit das Baby immer?«, fragte ich.
    »Meistens. Aber das macht mir nichts aus.«
    »Nein?«
    »Nein. Er erinnert mich an Ricky.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Wann kommt er nach Hause? Weißt du das, Luke?«
    »Nein. In seinem letzten Brief stand, dass er vielleicht an Weihnachten kommt.«

    »In zwei Monaten.«
    »Ja, aber ich bin nicht sicher. Gran sagt, alle Soldaten behaupten, dass sie an Weihnachten nach Hause kommen.«

    »Ich kann’s gar nicht erwarten«, sagte sie, erkennbar aufgeregt von dieser Aussicht.
    »Was soll werden, wenn er nach Hause kommt?«, fragte ich, nicht sicher, ob ich ihre Antwort überhaupt hören wollte.
    »Dann werden wir heiraten«, sagte sie mit einem breiten hübschen Lächeln. In ihren Augen spiegelten sich Staunen und Freude.
    »Wirklich?«
    »Ja, das hat er mir versprochen.«
    Ich wollte keinesfalls, dass Ricky heiratete. Er gehörte mir.
    Wir würden angeln und Baseball spielen, und er würde Kriegsgeschichten erzählen. Er wäre mein großer Bruder und nicht Libbys Mann.
    »Er ist so süß«, sagte sie und blickte zum Himmel empor.
    Ricky war vieles, aber süß hätte ich ihn nie genannt.
    Andererseits wusste ich nicht, was er getan hatte, um sie so zu beeindrucken.
    »Das darfst du niemandem erzählen, Luke«, sagte sie plötzlich wieder ernst. »Es ist unser Geheimnis.«
    Geheimnisse sind meine Spezialiät, hätte ich am liebsten gesagt.
    »Mach dir keine Sorgen. Bei mir ist es sicher«, sagte ich stattdessen.
    »Kannst du lesen und schreiben, Luke?«
    »Klar kann ich das. Du?«
    »Ziemlich gut.«
    »Aber du gehst doch nicht in die Schule.«

    »Ich habe vier Klassen gemacht, dann hat meine Mutter die vielen Kinder gekriegt, und ich musste aufhören. Ich habe Ricky einen Brief geschrieben und ihm von dem Baby erzählt.
    Hast du seine Adresse?«
    Ich war mir nicht sicher, ob Ricky ihren Brief überhaupt wollte, und einen Augenblick dachte ich daran, mich dumm zu stellen. Aber ich mochte Libby einfach. Sie war so verrückt nach Ricky, dass es falsch gewesen wäre, ihr seine Adresse vorzuenthalten. »Ja, die hab ich.«
    »Hast du einen Umschlag?«
    »Klar.«
    »Könntest du den Brief für mich abschicken? Bitte, Luke. Ich glaub nicht, dass Ricky von unserem Baby
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher