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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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gewiss
schwierig, aber doch nicht völlig unmöglich, jemanden, der über eine
Einlasskarte verfügte, aus dem Verkehr zu ziehen und durch eine Doppelgängerin
zu ersetzen. Natürlich standen vor den Türen Metalldetektoren, wie man sie von
den Flughäfen kannte. Natürlich war es vollkommen unmöglich, dass dort drin
jetzt noch eine Waffe versteckt war oder ein Sprengstoffpaket. Und dennoch
waren meine Hände feucht und klopfte mein Herz zu schnell.
    Noch eine Viertelstunde.
    Die Tür öffnete sich lautlos. Helena trat ein, nickte mir kaum
merklich zu und lächelte ihr scheues Lächeln.
    Zusammen mit ihr trat ich näher an die Monitore heran. Gemeinsam
besahen wir uns die anwesenden Frauen, baten die davor sitzende Technikerin,
einzelne Gesichter heranzuzoomen. Viele waren zu jung, um Judith Landers sein
zu können, manche zu alt. Gleich in der ersten Reihe saß eine Matrone mit
mächtigem Busen, eine Amerikanerin, deren Gesicht ich aus dem Fernsehen kannte.
Sie war schon weit über sechzig und mit Sicherheit unverdächtig. Helena machte
mich auf eine Frau mittleren Alters in der fünften Reihe aufmerksam, die sich
auffallend klein machte und es krampfhaft vermied, in eine unserer Kameras zu
blicken. Sichtlich nervös blätterte sie in einem großen und ungewöhnlich dicken
Notizbuch. Aber auch dieses war natürlich durchleuchtet und aufgeblättert worden,
bevor es die Tür hatte passieren dürfen.
    Als wir alle Frauen durchhatten, nahmen wir uns die Männer vor.
    Noch sieben Minuten.
    Plötzlich richtete Helena sich auf und sah mir ins Gesicht.
    Â»Ich gehe jetzt hinein«, sagte sie mit vor Anspannung heiserer
Stimme. »Und ich würde gerne meine Waffe mitnehmen.«
    Ich war zu überrascht, um sofort zu reagieren. Die einzigen Waffen
dort drin befanden sich hinter dem sandfarbenen Vorhang.
    Â»Wenn etwas geschieht«, fuhr sie eindringlich fort, »wenn sie es
trotz allem in den Saal schaffen sollte, dann geht es um Sekunden. Um
Bruchteile von Sekunden vielleicht.«
    Noch sechs Minuten.
    Ich packte sie am Unterarm und führte sie zu Keith Sneider, der
neben von Lüdewitz entspannt plaudernd und sichtlich gut gelaunt im Hintergrund
stand. Für die beiden war die Sache gelaufen. Sie hatten die
Wirtschaftsgespräche bereits als Erfolg abgehakt. Ich erklärte Sneider Helenas
Anliegen.
    Â»Und Sie glauben allen Ernstes, dass diese Frau Landers immer noch
am Leben ist?«, fragte von Lüdewitz mit diskret amüsiertem Blick. »Und dass sie
außerdem irgendwie da reinkommt? Noch dazu bewaffnet? Das glauben Sie wirklich
im Ernst?«
    Â»Ich glaube es nicht«, entgegnete Helena ruhig. »Aber ich kann es
nicht ausschließen.«
    Â»Die Kollegin könnte uns im unwahrscheinlichen Fall des Falles die
entscheidende Sekunde verschaffen«, gab ich halbherzig zu bedenken.
    Â»Well«, sagte Sneider und sah auf seine elegante Armbanduhr. »From
my side no problem.«
    Helena nickte mir dankbar zu und eilte mit kleinen Schritten davon.
    Augenblicke später sah ich sie auf den Monitoren den Raum betreten
und neben der zweiten Stuhlreihe im Schatten einer Säule Position beziehen.
    Dann wurden die großen Doppeltüren geschlossen, der letzte Akt der
großen Show konnte beginnen.

54
    Die beiden Minister betraten gemeinsam die Bühne von der
linken Seite, gingen gemessenen Schrittes und lebhaft scherzend an ihren Tisch,
nahmen Platz, nickten sich freundschaftlich zu, sahen erfreut ins Publikum. Der
deutsche Minister hieß die Anwesenden herzlich willkommen, freute sich, dass
sein Freund Ron Henderson die weite Reise nach Heidelberg auf sich genommen
hatte, verlor ein paar nette Worte über die Stadt und das Hotel. Dankte am Ende
sogar den ungezählten Polizistinnen und Polizisten, die für die bei solchen
Gesprächen unter Freunden unabdingbare Ruhe gesorgt hatten. Dann erteilte er
Henderson das Wort. Der strahlte, als hätte er eben erst von einem Lottogewinn
erfahren. Er strahlte mit einer Begeisterung in den Saal, dass man unmöglich
glauben konnte, seine Herzlichkeit könnte nur gespielt sein.
    Ron Henderson begann sein Statement mit einem Scherz, den ich nicht
verstand, der im Saal jedoch für dankbares Gelächter und vereinzelten Beifall
sorgte. Er rühmte die deutsch-amerikanische Freundschaft, die schon so viele
Stürme und Unwetter überstanden hatte, lobte Deutschland als
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