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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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fünf Wochen und zwei Tage – bis zu der Stunde, in der ich zum
Mörder werden sollte.

2
    Â»Paps, warum ist auf einmal so viel Polizei in der
Stadt?«, fragte Sarah am Abend, ehe sie herzhaft in ihr Käsebrötchen mit dicken
Gurkenscheiben biss. Mit zu vollem Mund sprach sie weiter: »Stimmt es, dass der
amerikanische Präsident nach Heidelberg kommt?«
    Â»Um Himmels willen, nein! Nur der Wirtschaftsminister kommt. Und
sein deutscher Kollege und, wenn wir Pech haben, auch noch die Bundeskanzlerin.
Es ist eigentlich eine ziemlich kleine und unwichtige Tagung, und sie dauert
auch bloß zwei Tage.«
    Â»Es geht um die Wirtschaftskrise, stimmt’s?«
    Â»Ja. Es geht darum, dass die Amerikaner aus Sicht der deutschen
Regierung zu viele Schulden machen und wir aus Sicht der Amerikaner zu wenige.«
    Â»Und wieso ausgerechnet bei uns?«
    Â»Ich nehme an, weil alle Amerikaner Heidelberg toll finden.«
    Â»Hast du viel Stress deshalb?«, erkundigte sich Louise mitfühlend,
die zweite und eine halbe Stunde jüngere meiner Zwillingstöchter.
    In zehn Tagen würden die beiden endlich das magische Alter von
sechzehn Jahren erreichen, und ich hatte noch kein einziges Geburtstagsgeschenk
für sie gekauft. Schon vor Wochen hatten sie mir ihre Wunschzettel überreicht,
die überwiegend Kleidung mit exakt angegebenen Quellen, Größen und Preisen
auflisteten, was mir die Sache sehr erleichtern würde. Was mir jedoch immer
noch fehlte, waren Ideen für einige dem Anlass würdige Überraschungsgeschenke.
Etwas, womit sie nicht rechneten und worüber sie sich freuten. Laptops
wünschten sie sich sehnlichst, hatten sie in letzter Zeit immer wieder
durchblicken lassen. Aber ein halbwegs ordentliches Gerät kostete vier- bis
fünfhundert Euro, und der Nachteil bei Zwillingen war, dass man alles immer
gleich doppelt brauchte. Schmuck war riskant, auf der anderen Seite nicht so
teuer. Geld fand ich pietätlos, Gutscheine eine Bankrotterklärung der
väterlichen Phantasie, auf die ich nur im äußersten Notfall zurückgreifen
würde. Bücher schätzten sie nicht so, und CDs waren nicht mehr angesagt. Musik
kam heute auch in Polizistenhaushalten irgendwie aus dem Nichts.
    Â»Stress eigentlich nicht«, beantwortete ich Louises Frage. »Bisher
wird nur viel geplant und noch mehr geredet.«
    Â»Musst du die Politiker beschützen, wenn sie da sind?«
    Ich hatte den Mund schon offen, um die Frage zu verneinen, entschied
mich jedoch anders: »Im Prinzip schon, ja.« Wenigstens vor meinen Töchtern
wollte ich mich ein wenig groß und wichtig fühlen. »Natürlich nicht allein. Da
kommen jede Menge wichtige Leute vom BKA. Und die Amis haben auch schon eine
halbe Kompanie Sicherheitskräfte geschickt, die sich Sorgen um das Leben ihres
Ministers machen.«
    Â»Haben sie Angst vor Terroranschlägen?«
    Â»Amerikaner haben heutzutage immer Angst vor Terroranschlägen.«
    Wegen der Geschenke musste ich unbedingt Sönnchen fragen, meine
Sekretärin. Ich machte mir eine Notiz mit Ausrufezeichen im Kopf und fragte
mich, ob es nicht allmählich an der Zeit war, mir eines dieser elektronischen
Hosentaschengedächtnisse zu kaufen, wie sie heute fast jeder mit sich herumtrug.
Bisher war ich immer zu stolz gewesen, mir diese Blöße zu geben. Auch sein
Erinnerungsvermögen muss man regelmäßig trainieren, verkündete ich, wenn ich
darauf angesprochen wurde. Das Dumme war nur, dass mein Training anscheinend
nicht fruchtete und ich immer öfter etwas vergaß. Hin und wieder auch
Wichtiges.

3
    Längst glich unsere sonst eher friedliche Polizeidirektion
einem überfüllten Hühnerstall. Zweiundzwanzig Beamtinnen und Beamte des
Bundeskriminalamts beglückten uns inzwischen mit ihrer Anwesenheit und ließen
uns tagtäglich fühlen, dass wir Landpomeranzen keinen Schimmer von den Problemen
und Gefahren des politischen Lebens hatten. Etwa die Hälfte kam von der Abteilung
Polizeilicher Staatsschutz in Wiesbaden, der Rest von der Sicherungsgruppe
Berlin. Die zweite Gruppe umfasste auch die Kolleginnen und Kollegen, die
während der Tagung für den unmittelbaren Personenschutz zuständig sein würden.
Und natürlich – jeder sah es ein – brauchte jeder zumindest ein Eckchen in
irgendeinem Büro, einen Schreibtisch, einen Stuhl, ein Telefon. Außerdem –
jeder verstand
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