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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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seit Nine Eleven schließlich nie. Um tibetische Protestgruppen
brauchten wir uns dagegen weniger Gedanken zu machen, da keine Chinesen
anwesend sein würden. Mit massivem Auftreten autonomer Gruppen, Randalierer und
Berufsdemonstranten – auch aus dem Ausland – war dagegen in jedem Fall zu rechnen.
Zudem war zu befürchten, dass sich im Fahrwasser der Chaoten auch Einzeltäter
bewegten, die zu allem Möglichen und Unmöglichen entschlossen waren. Verrückte,
Fanatiker, von irgendeinem Gott Berufene.
    Â»Diese Sorte macht mir keine Sorgen«, fiel Keith Sneider der
Polizeirätin gelassen ins Wort. Obwohl US-Amerikaner, sprach er perfekt
Deutsch, witzigerweise mit Kurpfälzer Akzent. Wie ich von Sönnchen erfahren
hatte, war er vor Jahren für einige Zeit als GI in Heidelberg stationiert
gewesen. »Potenzielle Attentäter werden eine Menge Know-how, Infrastruktur und
Intelligenz benötigen, um sich den Ministern auch nur auf Sichtweite zu nähern.
Chaoten und Spinner haben keine Chance. Die können wir vergessen.«
    Womit er vermutlich recht hatte. Mit denen würden nämlich wir, die
Heidelberger Polizei, uns herumprügeln dürfen.
    Sneider war älter als ich, schon weit über fünfzig, hatte strohblondes,
achtlos geschnittenes Haar und wirkte im Gegensatz zu seinen jungen, vor Kraft
und Ehrgeiz strotzenden Begleitern wie ein Mensch, der das Leben zu genießen
wusste und keinen Spaß dabei fand, sich in aller Herrgottsfrühe mit sportlicher
Betätigung zu quälen. Bisher war ich nicht recht schlau aus dem Mann geworden.
Einen Tag gab er sich freundlich und entspannt, am nächsten konnte er gereizt
und arrogant sein bis zur Ungenießbarkeit.
    Â»Therefore the background is only … ähm … lightred, as you can see«,
versetzte die Kollegin leicht gekränkt.
    So ging das nun schon seit Wochen: Jede der an den Vorbereitungen
beteiligten Organisationen musste unentwegt ihre Wichtigkeit unter Beweis
stellen. Jeder musste jeden Tag aufs Neue sich selbst und alle anderen davon
überzeugen, wie ungeheuer klug und unverzichtbar er war. Ein ständiges Gehacke
und Gespreize und Gepluster.
    Ich tat, was ich inzwischen immer öfter tat: Ich hielt den Mund und
sah hin und wieder auf die Uhr. Als stellvertretender Chef der ortsansässigen
Polizei war ich ohnehin nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe. Für die
Sicherheit der Politiker waren in erster Linie die BKA-Leute zuständig. Dabei
wurden sie unterstützt von der Delegation aus den USA, welche von Keith Sneider
angeführt wurde. Längst waren zur Abwehr gewaltbereiter Demonstranten
tonnenweise Absperrgitter geordert. Hundertschaften Bereitschaftspolizei aus
ganz Deutschland würden herangekarrt werden, für die zurzeit immer noch
händeringend Massenunterkünfte gesucht wurden.
    Aber all das ging mich im Grunde wenig an. Die Verantwortung trugen
andere, und ich war nicht eine Sekunde traurig deswegen. Meine Leute und ich
halfen mit unserer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und Eigenheiten und
würden selbst im unwahrscheinlichen Krisenfall nur flankierend tätig werden.
    Keith Sneider saß links neben mir. Er kam aus Washington, DC, und
laut seiner Visitenkarte arbeitete er für irgendeine Abteilung des
US-Außenministeriums mit dem Kürzel »SHG«. Das »S« stand für »Security«,
vermutete ich. Den Rest hatte ich noch nicht herausgefunden. Schon am ersten
Tag hatte ich gemutmaßt, er stehe in Wirklichkeit im Dienst der CIA oder der
NSA. Im Gegensatz zum Rest der eitlen Meute hatte ich Sneider von Beginn an
nicht gerade gemocht, aber doch geschätzt, auch wenn er mir hin und wieder mit
seiner herablassenden Art auf die Nerven ging. Er schien mir der einzige
Vernünftige zu sein in diesem Hühnerhof der Eitelkeiten.
    Vorhin hatte er mir erzählt, weshalb er so gut Deutsch sprach:
Während seiner Stationierung in Heidelberg als Offizier der US-Army hatte er
seine Frau gefunden, eine in der Wolle gefärbte Handschuhsheimerin, und sie
später in die Staaten exportiert. Deshalb sprach er Deutsch mit kurpfälzischem
Einschlag und kannte die Stadt vermutlich besser als mancher Einheimische.
    Neben ihm aufgereiht saßen vier seiner Mitarbeiter, alle gut gebräunte
und athletisch gebaute Kerle, die auf Surfbrettern eine wesentlich bessere
Figur gemacht hätten als in ihren dunklen Anzügen. Daneben zwei
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