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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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interessiert
dreinblickende Damen mittleren Alters in marineblauen Kostümen. Die sechs
blieben die ganze Zeit stumm. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie der
Diskussion folgen konnten, die teils auf Englisch, teils auf Deutsch geführt
wurde. Dennoch wirkten sie auch nach anderthalb Stunden Langeweile immer noch
hellwach, jede Sekunde bereit, zur Waffe zu greifen und sich für irgendwen ins
Feuer zu werfen.
    Mir gegenüber saß eine Reihe ernster Herren vom BKA, blasser als die
Amerikaner und wesentlich unsportlicher, aber selbstverständlich ebenfalls in
gepflegten Anzügen. Ich selbst trug aus stillem Protest Jeans zu einem legeren
Sakko und war offenbar auf die falsche Seite geraten.
    Die rothaarige Kollegin kam endlich zur letzten Folie und bedankte
sich für unsere Aufmerksamkeit.
    Â»Well«, ergriff Sneider das Wort. »Thank you very much for your
brilliant presentation …«
    Nun wurde eine Weile diskutiert und abgewogen, und am Ende kam man
zu dem Ergebnis, zu dem ich gleich zu Beginn gekommen war: Man konnte nichts
sagen. Vieles war möglich, manches bedenklich, weniges wahrscheinlich. Die Amerikaner
sahen die größte Gefahr in militanten Islamisten, in Selbstmordattentätern, die
sich auf die Zärtlichkeiten von siebzig Jungfrauen freuten, in erzwungenen
Flugzeugabstürzen, Raketenangriffen von den Höhen des Heiligenbergs. Die
BKA-Leute hielten mehr oder weniger alles für möglich, sahen jedoch bisher
keine ernst zu nehmende Bedrohung von irgendeiner Seite.
    Um Angriffe aus der Luft praktisch unmöglich zu machen, würde der
zivile Luftverkehr für die Dauer der Tagung Umwege fliegen müssen. Auf
Militärflugbasen der Amerikaner in der Pfalz würden voll bewaffnete Abfangjäger
in ständiger Alarmbereitschaft stehen. All das war nicht neu und schon seit
Monaten beschlossen. Meine Augenlider sanken herab. Das Hin und Her der Stimmen
wurde leiser und dumpfer.
    Als ich hochschrak, lächelte Sneider mich in einer Mischung aus
diebischem Mitgefühl und Neid an. Ich lächelte verwirrt zurück und bemerkte
erst mit Verzögerung, was mich aus meinem wohlverdienten Sitzungsschlummer
gerissen hatte: Das Handy surrte aufgeregt in der Brusttasche meines Jacketts.
Es war Sönnchen. Wenn sie mich auf dem Handy anrief, dann war es wichtig.
Außerdem war der Anruf eine prima Gelegenheit, ein wenig frische Luft zu
schnappen. So nickte ich wichtig in die Runde und sprang auf.
    Â»Sie ist schon da«, raunte meine Sekretärin, als ich die schwere Tür
hinter mir ins Schloss zog.
    Â»Wer?« Ich räusperte mich. Meine Stimme war noch nicht ganz wach.
»Wer ist da?«
    Â»Die Kollegin vom BKA, von der wir vorhin gesprochen haben.«
    Â»Und um mir das zu sagen, rufen Sie mich aus einer Besprechung?«
    Â»Wir wissen nicht, wohin mit ihr. Wir haben im ganzen Haus keinen
einzigen Schreibtisch mehr frei. Und da haben wir gedacht, die Petra, also die
Frau Ragold, und ich …«
    Â»Warum stecken Sie die Frau nicht einfach zu diesem Herrn von … wie
heißt er noch gleich?«
    Â»Von Lüdewitz.«
    Â»Liebekinds Büro ist ja wohl groß genug für zwei.«
    Â»Haben wir auch gedacht. Aber der Herr möchte das nicht. Ist
anscheinend unter seiner Würde.«
    Â»Und jetzt?«
    Sönnchen atmete tief durch.
    Â»Also, Herr Gerlach, wir haben gedacht, Sie haben doch auch ein
ziemlich großes Büro. Und die Frau vom BKA sagt, sie braucht bloß einen ganz
kleinen Schreibtisch und einen Stuhl und ein Telefon und ein Eckchen, wo sie
sitzen kann. Sogar ihren eigenen Laptop hat sie dabei. Ich hab mir auch schon
überlegt, wo …«
    Â»Haben Sie sie schon gesehen?«
    Â»Gesehen? Wen?«
    Â»Diese Kollegin.«
    Â»Ja klar.«
    Â»Und wie ist sie so?«
    Â»Nett. Sehr sympathisch. Und eher von der stillen Sorte. Sonst hätt
ich mich auch gar nicht getraut, Sie zu fragen.«
    Â»Und Sie finden, meine Würde ist nicht so hoch wie die von Herrn von
Lüdewitz? Mir kann man schon irgendwelche Fremden ins Büro setzen?«
    Â»Ich finde, Sie sind ein vernünftiger Mensch, Herr Gerlach.«
    Â»In Gottes Namen«, seufzte ich, da genau in diesem Moment die
Doppeltür des Sitzungsraums aufsprang und die angeregt plaudernden Damen und
Herren herausströmten. »Aber wenn sie mir auch nur das kleinste bisschen auf
den Geist geht, dann finden Sie eine andere Lösung,
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