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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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es – benötigten sie für den Fall der Fälle die Nähe der
örtlichen Polizeibehörde, Zugriff auf unsere Infrastruktur, Ortskenntnis, EDV
und Kantine. So waren meine Untergebenen ohne allzu lautes Murren
zusammengerückt, hatten Möbel gerückt, in jede freie Ecke noch einen alten
Schreibtisch gequetscht. Es würde ja nicht ewig dauern.
    Â»Guten Morgen, Herr Gerlach«, begrüßte mich Sönnchen wie immer
strahlend.
    Ihr bürgerlicher Name lautete Sonja Walldorf, aber sie hatte vom
ersten Tag unserer Zusammenarbeit an darauf bestanden, auch von mir Sönnchen
genannt zu werden, weil jeder sie so nannte. Meine treue Sekretärin schien die
Einzige im Haus zu sein, die sich ihre gute Laune von der Enge und Hektik nicht
verderben ließ.
    Â»Stellen Sie sich vor, jetzt wollen sie noch wen schicken!«
    Â»Wer?« Ich hängte mein Jackett an den Garderobenständer und
krempelte die Ärmel meines Hemds hoch. »Wer schickt wen?«
    Â»Wiesbaden. Vorhin haben sie angerufen, ob wir nicht noch irgendwo
ein Plätzchen frei hätten.«
    Â»Die haben Nerven. Im Keller vielleicht?«
    Sie lachte herzlich. »Ich hab auch gesagt, dass wir jetzt schon aus
allen Nähten platzen. Außerdem hat eine Frau für Sie angerufen.«
    Â»Hoffentlich nicht schon wieder jemand vom Fernsehen?«
    Â»Nein, keine Journalistin diesmal. Cappuccino wie immer?«
    Ich nickte. »Und was will diese Frau von mir?«
    Sie sprang auf und machte sich an unserem Kaffeecomputer zu
schaffen, der in den paar Monaten, die er nun bei uns stand, schon drei Mal für
teures Geld hatte repariert werden müssen. »Wollt sie mir nicht verraten. Sie
ruft später wieder an.«
    Â»Liebekind hat schon gewusst, warum er sich rechtzeitig abgesetzt
hat!«
    Sönnchen lachte schon wieder. Die Maschine begann, geschäftig zu
brummen. Mein direkter Vorgesetzter, Leitender Polizeidirektor Doktor Egon
Liebekind, hielt zurzeit seine jährliche Blockvorlesung an der Hochschule der
Polizei in Münster und hatte mich mit der Last der Verantwortung allein
gelassen. Als Chef der Kriminalpolizei fungierte ich während seiner Abwesenheit
automatisch als sein Stellvertreter. Immerhin hatten wir so ein wenig Platz
gewonnen und in seinem Büro vorübergehend einen aufgeblasenen Polizeidirektor
aus Berlin namens von Lüdewitz einquartieren können. Leider hatte dies schon
nach wenigen Tagen dazu geführt, dass Petra Ragold – Liebekinds Sekretärin –
begann, öffentlich über ihre fristlose Kündigung nachzudenken. Interkulturelle
Verständigungsprobleme gab es offenbar nicht nur zwischen Deutschen und
Amerikanern, sondern auch zwischen Badenern und Preußen.
    Auf dem Flur draußen begannen ein Mann und eine Frau zu streiten.
Offenbar wurde man sich nicht einig, wer zuerst am Kopierer gewesen war.
    Â»Vergessen Sie Ihre Sitzung nicht, Herr Gerlach«, ermahnte mich
Sönnchen. »Um neun im Rathaus, wie üblich.«
    Â»Wie lange dauert das denn noch mit unserem Dach?«
    Während eines der ungezählten Gewitter, die uns den August verdorben
hatten, war das Flachdach unserer noch gar nicht so alten Polizeidirektion
undicht und unser großer Besprechungsraum Opfer eines verheerenden
Wassereinbruchs geworden.
    Â»Gestern sind wieder mal zwei Männer da gewesen und haben ein
bisschen Kies hin und her geschaufelt. Nächste Woche wollen sie fertig werden,
heißt es.«
    Während ich eilig meinen Cappuccino schlürfte, blätterte ich im
Stehen die Post durch. Irgendwo im Haus fiel etwas klirrend zu Boden. Eine Frau
fluchte auf Hessisch.
    Â»As you can see on … ähm … my first slide …«, stotterte
eine sehr schlanke Kollegin vom BKA und fuchtelte mit einem grünen Laserpunkt
herum. Ihr langes, glattes Haar leuchtete in einem Rot, das viel zu schön war,
um echt zu sein. Sie trug ein Kostüm, dessen Tannengrün fast schmerzhaft
perfekt zur Haarfarbe passte, und sprach ein ganz grauenerregendes Englisch.
    Heute ging es wieder einmal um mögliche Bedrohungsszenarien für
unsere hohen Gäste. Das BKA präsentierte seine Sicht der Dinge. »The darker the
red background of a group, the higher we … ähm … suppose the risk …«
    Der Laserpunkt zuckte und zitterte von Kästchen zu Kästchen.
Natürlich konnte man islamistische Terroranschläge nicht ausschließen. Das
konnte man
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