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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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Beton. Das
wäre an sich noch kein Problem gewesen, das Erdbeben war nicht besonders
schwer. Aber sie haben ein bisschen zu sehr am Zement und an Armierungseisen
gespart, obwohl sie sich streng an die örtlichen Bauvorschriften gehalten
haben.«
    Â»Dieser Drecksack hat doch wirklich überall auf der Welt seine
fetten Finger im Spiel, wo Geld abzugreifen ist«, stöhnte Balke.
    Â»Henderson hat ja wohl nicht persönlich den Befehl gegeben,
schlechten Beton zu nehmen«, gab Krauss zu bedenken.
    Â»In gewisser Weise doch«, widersprach ich. »Alle Niederlassungen
weltweit haben Weisung von ihm persönlich, sich strikt an die jeweils lokal
geltenden Bauvorschriften zu halten. Auch wenn man es besser weiß. Auch wenn in
den USA andere Standards gelten. In Haiti, zum Beispiel, ist ein komplettes
Hochhaus eingestürzt, das die HBC gebaut hatte. Hätte man nach amerikanischen
oder europäischen Normen gebaut, würde es noch stehen.«
    Â»Außerdem symbolisiert der Typ das System, das sie zeitlebens
bekämpft hat«, fügte Balke nachdenklich hinzu. »Trotzdem, ich weiß nicht …
Reicht das wirklich, sein Leben wegzuschmeißen?«
    Â»Es gibt noch einen dritten Grund«, sagte ich. »Und ich denke, das
ist der entscheidende.«
    Meine Zuhörer waren jetzt ganz still.
    Â»In der eingestürzten Bibliothek in Peshawar fand zum Zeitpunkt des
Bebens eine Vortragsveranstaltung statt für Gewerbetreibende und
Kleinunternehmer. Es ging dabei um Mikrokredite. Matthew Wollstonecraft ist
dabei ums Leben gekommen. Außerdem war unter den Toten eine gewisse Vivian
Wollstonecraft. Sie war erst fünfzehn Jahre alt.«
    Â»Sie hat … Sie hatte eine Tochter?«, fragte Sönnchen mit runden
Augen.
    Â»Es war sein Kind, aus erster Ehe. Aber Judith Landers hat das
Mädchen wohl sehr geliebt. Es hat Mom zu ihr gesagt.«
    Â»Wieso verheimlicht uns Frau Guballa so wichtige Sachen?«, meinte
Sönnchen grübelnd. »Ich versteh das nicht. Sie ist doch … so nett. So harmlos.
So …«
    Â»Ich denke, sie will sich selbst und ihren Kollegen in Wiesbaden
irgendwas beweisen. Dort nimmt man sie schon lange nicht mehr ernst. Und nun
will sie beweisen, dass sie die ganze Zeit recht gehabt hat. Dass sie nicht
verrückt ist.«
    Â»Dann sollte man die Dame schleunigst aus dem Verkehr ziehen«,
meinte Balke.
    Â»Darüber habe ich vergangene Nacht auch schon nachgedacht«,
entgegnete ich. »Natürlich haben Sie recht. Natürlich ist sie nicht ganz
zurechnungsfähig. Auf der anderen Seite ist sie der Mensch auf der Welt, der
Judith Landers am ehesten erkennen wird.«
    Â»Falls sie wirklich noch lebt. Falls sie wirklich in Heidelberg ist.
Sie wird es nicht mal bis zur Tür des Tagungsraums schaffen«, war Balke
überzeugt. »Es gibt zurzeit wenige Orte auf der Welt, die besser bewacht
werden.«
    Â»Hoffen wir, dass Sie recht haben«, sagte ich. »Hoffen wir, dass wir
nichts Entscheidendes übersehen haben. Hoffen wir, dass Kollegin Guballa im
Fall des Falles ihren Job trotz allem gut macht.«
    Â»Und jetzt?«, fragte Evalina Krauss. »Wie geht’s jetzt weiter?«
    Â»Jetzt machen wir Folgendes«, sagte ich und beugte mich vor.

53
    Noch waren die Türen verschlossen. Die Pressekonferenz
würde erst in einer Stunde beginnen. Die meisten der Journalisten waren jedoch
schon da, lungerten in Grüppchen im Foyer herum und ließen sich mit Fingerfood
und alkoholfreien Getränken bewirten. Man kannte sich, man tratschte, es wurde
gelacht. Derweil wurde der Sitzungssaal, wo in Kürze das medienwirksame Finale
der Wirtschaftsgespräche beginnen würde, ein letztes Mal von
Sprengstoffspürhunden abgeschnüffelt. Techniker testeten Mikrofone und
Beleuchtung. Wasserfläschchen wurden bereitgestellt, leere Gläser ein letztes
Mal poliert. Die zwei Stühle auf dem Podium wurden säuberlich in eine Reihe
gerückt und dreimal korrigiert. Allerletzte Staubkörnchen wurden vom unter
einer dunkelblauen Decke verborgenen Tisch gepustet. Diese Decke hing vorne bis
zum Boden herab, und nur wenige wussten, dass sich dahinter eine massive
Stahlplatte befand. Das verminderte die Trefferwahrscheinlichkeit im Fall eines
Angriffs mit Schusswaffen oder Splitterbomben enorm, da es den verletzungsgefährdeten
Teil der am Tisch sitzenden Personen halbierte. Zudem bot die unsichtbare
Panzerplatte einen
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