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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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guten Schutz, wenn man sich im Krisenfall einfach vom Stuhl
fallen ließ. Zwei Meter hinter dem Tisch hing ein sandfarbener schwerer
Vorhang, an dem in fünf Meter Höhe ein riesiges Banner befestigt war: German – American Economic Talks, Heidelberg .
Hinter diesem Vorhang würde es während der Pressekonferenz von bewaffneten
Sicherheitskräften wimmeln, die bei Bedarf in zwei Sekunden bei ihren
jeweiligen Schützlingen sein konnten, um diese je nach Situation hinter den
Vorhang oder zu Boden zu reißen.
    Am Tisch würden nur zwei Personen sitzen: Ron Henderson und sein
deutscher Amtskollege. Beide würden zu Beginn ein jeweils fünfminütiges
Statement abgeben, der Gast zuerst. Anschließend durften zwanzig Minuten lang
Fragen gestellt werden. Schließlich würde man sich erheben und ein letztes Mal
kräftig und freundschaftlich und äußerst telegen Hände schütteln.
    Und dann würde es überstanden sein und Mister Henderson kurz darauf
und hoffentlich unbeschädigt in seinem Helikopter davonschweben. Allzu gut
gelaunt würde er allerdings nicht sein. Die Gespräche waren aus Sicht unserer
transatlantischen Freunde kein Erfolg gewesen, schnappte ich im Überwachungsraum
auf. Die deutsche Delegation hatte geschickt taktiert, sich immer dann, wenn es
brenzlig wurde, wenn die Forderungen der Gegenseite ultimativ wurden, hinter
Brüssel und EU-Regelungen verschanzt. Aber natürlich würde Henderson nicht mit
leeren Händen abreisen. Einige Zugeständnisse hier, eine Senkung der Zölle auf
amerikanisches Getreide dort. Er sollte ja nicht als Versager in Washington
landen. Aber auch nicht als der strahlende Held, der er sicherlich gerne
gewesen wäre.
    Unter meiner Achsel drückte die ungewohnte Dienstwaffe, die ich seit
meinem letzten Schießtraining im April nicht mehr benutzt hatte. Ihr Gewicht
gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Ein trügerisches Gefühl, denn was würde mir
die Waffe im Fall des Falles nützen, hier im Überwachungsraum mit all den
Monitoren?
    Noch eine halbe Stunde.
    Balke und Krauss befanden sich seit Stunden außerhalb des Hotels und
versorgten jeden und jede, die etwas mit der Sicherheit zu tun hatte, mit
Fotomontagen von Judith Landers. Fotomontagen mit verschiedenen Haarfarben und
-längen. Inzwischen hatte sich meine Sorge wieder ein wenig verflüchtigt, und
ich musste Keith Sneider recht geben, der auf meine Neuigkeiten gelassen
reagiert hatte. Er glaubte nicht an eine Bedrohung durch Einzelgänger. Er
glaubte an große Kaliber, an Boden-Boden-Raketen oder vom Himmel fallende Flugzeuge.
Aus seiner Sicht war alles getan. Die kleinlichen Spinnereien der deutschen
Polizei akzeptierte er mit einem Lächeln.
    Auf dem linken der drei Monitore entdeckte ich Helena im minütlich
dichter werdenden Gewühl des Foyers. Mit angespannter Miene schlenderte sie
herum, betrachtete unauffällig die anwesenden Personen, nickte hier und da
jemandem freundlich zu, und manche nickten sogar zurück. Wieder einmal musste
ich an Mao denken: der Fisch im Wasser. Genauso bewegte sie sich.
    Inzwischen waren die Sprengstoffhunde verschwunden, sah ich auf den
anderen Monitoren, und man hatte die Kameraleute eingelassen, jeweils begleitet
von einem Techniker und bewacht von zwei Sicherheitskräften, damit sie ihre
Gerätschaften aufbauen und Kabel ziehen konnten. Die Zeit dafür war bewusst knapp
bemessen. Selbstverständlich hatte jede Kamera, jede Kabeltrommel und jeder
Metallkoffer zuvor ein Durchleuchtungsgerät passiert, das in einem Nebenraum
wichtig vor sich hin brummte. Was keinen der knallgrünen Aufkleber trug, kam
nicht durch die Tür. In einem Fall geschah das tatsächlich, beobachtete ich.
Ein Koffer musste zurück, wurde geöffnet und durchwühlt. Alles, was sich auch
nur halbwegs als Versteck für Gefährliches eignete, wurde durchleuchtet,
beschnüffelt, betastet und geschüttelt.
    Allmählich füllten sich die Stuhlreihen. Die Sitze waren nummeriert,
die dazu gehörenden Einlasskärtchen persönlich zugeordnet. Der Schwachpunkt war
in meinen Augen, dass kein Mensch sämtliche Journalisten und Journalistinnen persönlich
kennen konnte, die natürlich nicht nur aus Nordamerika und Deutschland, sondern
aus aller Welt angereist waren. Auch die beste Überwachungskamera und die
raffinierteste Gesichtserkennungssoftware konnte irren. Es war
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