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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds /
Autoren: Friedrich Ani
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wirklich ein Gnom?«
    »Ja, vielleicht zeig ich ihn dir mal, wenn du möchtest. Aber er ist sehr schüchtern.«
    »Das macht nichts, ich kenn eine Elfe, die wohnt an der Isar, die bringt deinen Asfur schon zum Tanzen!«
    Einige weibliche Badegäste flüsterten sich zu, dass sie beim Meditieren den
Baum
auch schon probiert, aber nie so perfekt hinbekommen hätten wie dieser imposante Mann, den sie sich nicht anzusprechen trauten, weil es sowieso keinen Sinn hätte; bestimmt tauchte jeden Moment die Mutter des Kindes auf.
    »Und jetzt hab ich Durst!«, rief Raphael, sprang auf Süden zu, warf ihn in den Sand und rannte zum Dünencafé. Unter seinen Füßen spritzte der Sand auf.
    Süden war auf dem Rücken gelandet und überlegte gerade, ob er aufstehen und ins Wasser gehen solle, als zwei Beine vor seinem Gesicht auftauchten. Er schaute an ihnen hinauf.
    »Hallo, Punkmaus«, sagte er überrascht und beeilte sich hochzukommen.
    Sonja Feyerabend stand vor ihm, mit einer Reisetasche in der Hand, und ihr Haar leuchtete gelb wie die Sonne.
    Sie umarmten sich. Und brauchten eine Weile, um ihre Nähe zu entfachen.
    »Warum hast du nicht vorher angerufen?«, fragte er.
    »Ich hab mich erst heut Morgen entschlossen zu fliegen. Die sind ganz schön eng, diese Propellermaschinen. Ich soll dich von Paul und Evelin grüßen, die beiden wollen demnächst hier Urlaub machen, der Dicke ist ganz verknallt. Charly lässt dich auch grüßen, er ist stolz auf dich, aber er weigert sich, das zuzugeben.«
    Er schaute sie an und wollte nie wieder wegsehen.
    »Und du bist tatsächlich in ein Flugzeug gestiegen«, sagte sie. Auf der Terrasse des Cafés stand Raphael mit einer Coladose und beobachtete sie.
    »Ja«, sagte er, »ich bin eingestiegen und wieder ausgestiegen. Hast du die Robbenbänke gesehen?«
    »Nein, waren da welche?«
    »Keine Ahnung«, sagte er.
    Sie winkte Raphael, aber er winkte nicht zurück, sein Winken war zurzeit vergeben.
    Dann ging ein Regenschauer nieder, und sie setzten sich ins Strandcafé, in dem das Radio laut spielte. Sie aßen Suppe und tranken Bier dazu. Raphael hatte Sonja nur flüchtig begrüßt und keine Lust, sich mit an den Tisch zu setzen. Er lief umher und schaute ins Freie. Langsam hörte der Regen auf, und die Sonne schien wieder.
    »Ich hab gehört, du hast die Presse besiegt«, sagte Sonja und löffelte genüsslich Erbsensuppe mit Würstchen.
    »Ich hab sie verjagt«, sagte Süden, »ich hab sie so eingeschüchtert, dass sie mit der nächsten Fähre wieder abgefahren sind.«
    »Wie hast du das angestellt?«
    »Magie«, sagte er und hob die Bierflasche. »Möge es nützen!«
    Auch Sonja hob ihre Flasche.
    »Möge es nützen!«, sagte sie, und sie stießen an und tranken und sahen sich in die Augen. Raphael hielt seine Coladose fest in der Hand und hörte ihnen ungeduldig zu. Dann lief er zur Tür.
    »Willst du nichts essen?«, rief ihm Süden hinterher.
    Raphael war schon draußen am Strand.
    Im Radio kam ein Lied, das sie kannten.
Starwalker, he’s a friend of mine, you’ve seen him looking fine,
sang Buffy,
He’s a straight talker, he’s a starwalker, don’t drink no wine, ay way hey o heya …
    »Hast du noch was über den Jungen gehört, der beinah ertrunken wäre?«, fragte Sonja.
    »Er ist aus dem Koma aufgewacht, er wird durchkommen. Seine Eltern haben jetzt zugegeben, dass sie ihn einfach vergessen hatten, sie dachten, er wär schon auf der Fähre.«
    Schweigend aßen sie weiter und hörten der Musik zu.
    Lightning woman thunderchild, Star soldiers one and all, oh, Sisters, brothers all together …
    »Weißt du, was seltsam ist?«, sagte Sonja, »heute ist der dreiundzwanzigste September, und da ist doch Charlys geliebte Sekretärin jedes Jahr absolut mieser Laune, und kein Mensch weiß, wieso. Aber heute war sie es nicht. Als ich heute Morgen um halb acht nochmal kurz im Büro war, hat sie mich fröhlich begrüßt und mir einen guten Flug gewünscht und gelacht. Das ist noch nie passiert, seit ich sie kenne. Wegen ihr war der dreiundzwanzigste September bisher immer ein niederschmetternder Tag im Dezernat.«
    Süden zuckte die Achseln und bemerkte Raphael, der ihm vor dem Fenster aufgeregt Zeichen gab.
    »Ich glaub, er will uns was zeigen«, sagte er und stand auf.
    Holy light guard the night, pray up your medicine song, straight dealer, you’re a spirit healer …
    Draußen schauten sie, wie die übrigen Besucher, zur Insel hinüber, starr vor Staunen.
    »So was hab ich noch nie
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