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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde
Autoren: Barnard Christiaan
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spülte das bläuliche Blutgerinnsel mit einem dünnen Wasserschlauch fort. Während er die Scheidewand zwischen den Herzvorhöfen untersuchte, wo Deon eine Öffnung geschlossen hatte, sprach er weiter.
    »Die Wundnaht im Foramen ovale scheint in Ordnung zu sein.« Mit der Schere schnitt er durch die Trikuspidalklappe in die rechte Herzkammer, dann entlang der Scheidewand bis zur Herzspitze, wobei die rechte Kammerhöhle freigelegt wurde. »Über dem Defekt der Scheidewand im Abflußkanal der rechten Herzkammer ist ein Plastikflicken. Der ist dicht.«
    Wieder hielt er den dünnen Wasserstrahl zwischen die Muskelstränge und die Scheidewand. Dann nahm sein Gesicht einen seltsamen Ausdruck an, eine Mischung von Erregung und Verlegenheit. Er wandte sich zu Deon um. »Hier unten ist ein weiterer großer Defekt.«
    Deon starrte ungläubig zurück. Es war nicht zu fassen.
    »Weiter unten in der Muskelscheidewand ist ein zweiter Defekt der Scheidewand«, sagte Martyn ins Mikrofon, den Blick noch immer auf Deon gerichtet. »Er wurde nicht geschlossen. Er misst etwa …«
    »Mein Gott, das ist mir entgangen!« stieß Deon heiser hervor. »Wie, zum Teufel, hab' ich das übersehen können?«
    Martyn zog seine Hände zurück und fragte: »Wäre das die Erklärung?«
    Deon nickte düster. »Ja, das ist der Grund, warum der Druck in der Lungenarterie nach der Operation so hoch blieb. Und das muß das Kammerflimmern herbeigeführt haben, ich weiß nicht, wie mir das …« Er schüttelte den Kopf, unfähig, den Satz zu beenden.
    »Sie sind sicher einverstanden, wenn ich es Innes überlasse, die Autopsie zu beenden?« fragte Martyn und nickte ermunternd dem Farbigen zu. »Bitte, William, erklären Sie Dr. Innes die Sache, wenn er kommt.« Er ging ans Waschbecken und streifte die Handschuhe ab.
    Deon und Philip blieben bei dem Kinderleichnam stehen. Deon schüttelte verständnislos den Kopf. »Übersehen!« stammelte er und sah Philip verstört an. »Ich hab' mich gefragt, warum das Blut, das durch die linke Kammeröffnung kam, blau war. Aber ich habe deswegen nichts unternommen. Es war also die ganze Zeit venöses Blut, das durch den Defekt gepumpt wurde. Weiß Gott, ich sollte inzwischen wissen, daß ich nach einer Erklärung zu suchen habe, wenn mir irgendwas komisch vorkommt. Ich hätte wissen müssen, daß da noch ein Defekt war.«
    »Die Muskelstränge haben ihn verdeckt.«
    »Trotzdem, ich hätte nachsehen müssen. Es hätte mir nicht entgehen dürfen.«
    Philip überlegte einen Moment, dann sagte er ruhig: »Nein, wohl nicht.«
    Die unbefangene offene Antwort kam so unerwartet und war so typisch Philip, wie er vor zwanzig Jahren gewesen war, daß Deon unwillkürlich lächelte. Spontan sagte er: »Deine Vorlesung, wann fängt sie an?«
    Philip sah auf die Wanduhr. »In einer Viertelstunde.«
    »Ich möchte eigentlich doch gern kommen. Aber ich muß vorher noch ein Telefongespräch führen.«
    In der Vorhalle hatte sich zu Philips Begrüßung eine kleine Gruppe Männer versammelt. Als Deon mit Philip und Martyn auf die Wartenden zutrat, empfand er, daß es unhöflich wäre, jetzt allein die Treppen hochzugehen. Er mußte sich fügen und mit den anderen den Aufzug benutzen.
    Sofort fiel ihm auf, daß in ihrer Haltung etwas merkwürdig Gespanntes und Feindseliges lag. Seine Blicke glitten forschend von einem zum anderen.
    Der alte Snyman, grauhaarig und wie aus dem Ei gepellt, tat, als ginge ihn das alles gar nichts an. Dr. Malcolm, der Klinikdirektor, wirkte kribbelig und übellaunig. Der Dekan, Professor Levin, und Professor Gleave, Leiter der Genetikabteilung, redeten ernsthaft auf ihn ein. Robby Robertson, dessen rötliches Haar sich an den Schläfen zu lichten begann, grinste unverschämt über das sichtliche Unbehagen des Klinikdirektors.
    Als Deon näher kam, wurde die sonst ruhige Stimme des Dekans schrill. »Ich bitte Sie, Mac, der Mann hat an unserer Universität promoviert. Sollte es irgendwelche Schwierigkeiten geben, können Sie sich darauf verlassen, daß Sie bis heute Abend meinen Rücktritt haben. Verdammt noch mal, Mann, wir sind hier in einer Universitätsklinik und nicht in der nur für Weiße reservierten Oper! Sie können das mit Ihren vorgesetzten Behörden regeln, wenn Sie wollen, aber ich sage Ihnen …«
    Gleave gab ihm unauffällig ein Zeichen, und verwirrt drehte der Dekan sich um und verstummte. Mit ausgestreckter Hand ging Gleave eilig auf Philip zu und zauberte ein Begrüßungslächeln auf sein
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