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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde
Autoren: Barnard Christiaan
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Arbeit!«
    »Großartige Leistung, Deon!«
    »Das war vielleicht eine Operation!«
    Er mußte sehen, daß er hier rauskam. Er schluckte schwer und trat vom Operationstisch zurück.
    »Peter, Moolman, würdet ihr bitte die Wunde für mich schließen?«
    Er ging abwesend durch die Doppeltür in den Waschraum, streifte Handschuhe und Mantel ab und wusch sich die Hände. Sollte er hinausgehen und Trish die gute Nachricht überbringen? Nein, er wollte noch warten.
    Benommen schlenderte er in den Teeraum. Der Tee war kalt. Gott sei Dank – die Operation war vorbei, und Giovanni war wohlauf.
    Er hatte eine Schuld beglichen.
    Seine Gedanken gingen zurück zu jener Nacht, als Trish ihm so sachlich die Einzelheiten der Abtreibung berichtet hatte, um dann plötzlich in Tränen auszubrechen und zu gestehen, wie grauenhaft es gewesen war. Trish, schreiend im Badezimmer seiner Studentenbude …
    Jetzt hatte er ihr ihr Kind lebendig zurückgegeben.
    »Kommen Sie schnell, Deon!« rief jemand aus der Entfernung. »Schnell! Sie werden dringend gebraucht!«
    Fassungslos starrte er Snyman an, der in der Tür stand.
    »Um Gottes willen, Deon, kommen Sie! Der Junge hat einen Kollaps!«
    Deon rannte los. Keine Zeit, zu überlegen, wo der Alte auf einmal hergekommen war und warum. Sein einziger Gedanke, als er blind nach Kappe und Maske griff, war: »Wie sag' ich's Trish?«
    »Was ist los?« keuchte er, als er in den Operationssaal kam. Peter Moorhead erklärte schnell: »Alles war in Ordnung, bis wir das Brustbein schließen wollten. Da schoß der Venendruck in die Höhe, und der Blutdruck sank in den Keller.«
    Er hatte es ja gewußt oder doch befürchtet. Das Transplantat wurde vom vorderen Brustknochen zusammengedrückt. Er hätte es also doch hinter der Aorta herführen sollen. Jetzt wurde der Blutstrom gehemmt. Er hatte einen Irrtum begangen.
    Sie stand noch auf genau demselben Fleck, auf dem er sie verlassen hatte, mit dem einen Unterschied, daß sie sich zum Fenster umgedreht hatte. Als er näher kam, sah er, daß sie nicht aus dem Fenster auf die Stadt hinunterblickte, sondern eingehend den Feuerlöscher mit dem flach aufgerollten Schlauch betrachtete. Er erriet, daß ihr Blick nach innen gerichtet sein mußte.
    Als sie ihn kommen hörte, sah sie ihm entgegen. Sie stand unbeweglich da, ihre klugen Augen waren ernst und fragend auf ihn gerichtet. Sie las die Antwort in seinem Gesicht, und ihre Züge veränderten sich. Aber wie um einem vorgeschriebenen Zeremoniell zu folgen, dessen Wirksamkeit davon abhing, daß jede Bewegung getreulich nach Vorschrift ausgeführt wurde, stellte sie die Frage trotzdem.
    »Was macht er?«
    »Es geht ihm bestens.«
    »Hat alles gut geklappt?«
    Er war zu Tode erschöpft, aber er konnte es nicht zeigen. Noch nicht.
    »Es gab ein bißchen Aufregung, als wir die Brustöffnung schließen wollten. Das Transplantat wurde flachgedrückt. Zum Glück war die Herz-Lungen-Maschine noch steril. Kein Problem.«
    Kein Problem, äffte er sich selbst nach. Bloß, daß ich so nebenbei fast deinen Sohn umgebracht hätte. Aber zum Glück verstand Trish nicht viel von chirurgischen Spitzfindigkeiten.
    »Wird Giovanni durchkommen?«
    »Ich kann dir nicht dafür garantieren, Trish, aber ich glaube, ja.«
    »Gott sei Dank. Wann kann ich ihn sehen?«
    »Gleich. Sobald er im Aufwachraum ist, lassen wir dich einen Blick zu ihm hineinwerfen.«
    »Ja. Danke.«
    Sie gingen langsam den Korridor hinunter.
    »Wie geht es dir?« fragte sie.
    Deon zögerte, dann fragte er ausweichend: »Wieso?«
    »Du bist nicht sehr glücklich, oder?«
    Man hatte sie noch nie anlügen können, aber er versuchte es noch einmal. »Ach, nichts von Bedeutung«, sagte er leichthin. »Nichts, das ich nicht lösen könnte.« Und gleichzeitig fragte er sich: Gibt es Lösungen? Ich weiß es nicht. Aber ich werde es herausfinden. Das Leben ist ein Tanz auf dem Seil. Jeden Tag.
    »Ich muß jetzt gehen«, sagte er.
    »Ja«, sagte sie, »danke. Danke für alles, Doktor.«
    Er sah sie verdutzt an. Merkwürdig, ihn so förmlich anzusprechen. Und dann wurde ihm klar, daß es so merkwürdig gar nicht geklungen hatte. Richtig, dachte er, ich bin ein Doktor.
    Er nickte ihr zu und verschwand durch die Schwingtüren im Operationssaal. Er ging wieder zu seinem Patienten.
     
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