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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde
Autoren: Barnard Christiaan
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wäre es nicht hier, wäre es nicht, was es ist. Es ist mein Schützling und mein Ankläger. Keiner von uns kann entrinnen. Wir tun, was wir tun, weil wir es müssen.
    Und was muß ich? Zu Philip halten? Oder ihn verraten? Denn darauf lief es hinaus, zwischen diesen beiden hatte er zu wählen.
    Er geht, und ich bleibe. Aber bevor er gehen darf, muß er noch die Demütigung über sich ergehen lassen, sich vor einem Tribunal zu rechtfertigen wie ein ungehorsames Kind. Natürlich ging es längst nicht mehr um die Ova und ihre Bezugsquelle. Das war nur ein Vorwand. Was jetzt auf dem Spiel stand, war die Autorität mit ihren strengen Forderungen. Eine Person, und um es noch schlimmer zu machen: ein Farbiger, stand auf gegen diese Autorität, betrachtete ihre gewichtige und aufgeblasene Würde und sagte: Geht zum Teufel.
    Muß ich bei ihm sein und es mit ihm sagen?
    Wie hatte Philip es ausgedrückt? »Man kann den Dingen nicht den Rücken zukehren.« Wird er glücklich sein als praktischer Arzt in Beaufort West? Vielleicht nicht, aber vielleicht geht es ihm auch gar nicht darum. Er kehrt zu seinem Ursprung zurück. Es ist kein Zufall, daß er seine Mutter mitnimmt, damit sie bei ihrer eigenen Sippe leben und schließlich sterben kann. Ihre Gegenwart macht seine Heimkehr vollständig, als sei er nie fort gewesen. Ich könnte das nicht. Ich versuche dauernd, mich von meiner Vergangenheit zu lösen. Ich habe mich meiner Mutter und Boet entfremdet. Ich liebe sie nur noch aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus, aber zurückzugehen hieße, mich als Versager zu bekennen. Für Philip ist es eine Herausforderung, die er wie jede andere mit distanziert wissenschaftlichem Interesse angeht.
    Ob Trish noch draußen auf dem Gang stand? Wahrscheinlich.
    Und wie soll es mit uns beiden weitergehen? Gibt es einen gemeinsamen Weg für uns? Und wohin? Will sie ihn mit mir gehen? Oder ich mit ihr?
    Wahrscheinlich nicht.
    Er empfand Stolz und Befriedigung, daß er zu so eisglatten, eiskalten Überlegungen fähig war wie ein Bergsteiger, der vom Gipfel die ihn umgebende Gletscherlandschaft betrachtet.
    So weit war es also gekommen, was nun? Er stellte sich Elizabeths vertraute Züge vor, die Linien und Flächen ihres Gesichts, die Bogen ihrer Brauen, das Zucken um ihre Lippen, wenn sie lächelte, was er einst geliebt hatte, die tierhafte Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen.
    Elizabeth und Etienne und Lisa.
    Und Deon?
    Er wußte es einfach nicht.
    »Soll ich noch weiter kühlen, Professor?« fragte der Techniker.
    »Wie hoch war die Temperatur, als das Herz fibrillierte?«
    »Fünfundzwanzig, Sir.«
    »Dann lassen Sie's dabei.«
    Nun wollte er die unterentwickelte Trikuspidalklappe durch ein Aortentransplantat außerhalb des rechten Vorhofs ersetzen. Er und Moolman hatten es beim städtischen Leichenschauhaus abgeholt: eine Klappe und sieben Zentimeter Aorta von einem jungen Mädchen, das mit dem Fahrrad tödlich verunglückt war. Die Eltern hatten ihren Schmerz so lange gezügelt, um ihre Erlaubnis zu geben. Das Blutgefäß war in der radiotherapeutischen Abteilung durch Bestrahlung mit einer Kobaltbombe sterilisiert worden und lag nun in der Nierenschale auf dem Instrumentenwagen. Ein Ende sollte an die linke Lungenarterie genäht werden, die Klappe an eine Öffnung im rechten Vorhof.
    »Sollen wir es den Franzosen nachmachen und sie hinter der Aorta entlangführen?« fragte Deon Moolman. »Oder vorne, wie wir es im Labor gemacht haben?«
    Peter Moorhead antwortete für Moolman. »Die französische Methode wäre vielleicht die beste, Deon.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Und überhaupt: Warum sollten wir die in allem imitieren?«
    Eigensinnig legte er das Transplantat über die Aorta. Er hätte nicht sagen können, warum. War es wirklich besser? Oder wollte er nur originell sein? Bei den Hunden hatte es so auch am besten geklappt. Aber Hunde hatten auch einen tieferen Brustkorb. Hinter Giovannis Brustbein war aber auch noch eine Menge Platz. Natürlich würde es gehen.
    Trish wartete draußen auf Nachricht über ihren Sohn.
    Elizabeth wartete zu Hause.
    Und Philip? Werde ich ihn allein dastehen lassen? Oder werde ich neben ihm stehen?
    Es gibt weiß Gott genug Gründe, mich da herauszuhalten. Er geht sowieso fort. Warum sollte ich mich jetzt noch zum Märtyrer machen? Eigentlich wäre das für mich ja der leichteste Ausweg. Ich würde sagen: Bitte, hier habt ihr mich auch. Wenn ihr ihn zwingt, zu gehen, müßt ihr mich auch wegschicken, weil
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