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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde
Autoren: Barnard Christiaan
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abzukriegen.«
    Philip winkte ab. »Genetiker sind langweilige Zeitgenossen. Selbst wenn es dir gelingen sollte, sie aus ihrem Laboratorium zu schleifen, sind sie noch einsilbig und stur.«
    Deon lachte glucksend, aber er dachte an etwas anderes. Das ist es, dachte er. Da liegt der Unterschied. Einsilbig. Nicht daß Philip direkt wortkarg gewesen war, aber er hatte immer seine Zunge gehütet. Das ist jetzt anders. Er sagt, was er will – wem er will.
    Hier ist ein Mann, dachte Deon weiter, der die Vergangenheit hinter sich gelassen hat. Er hat sich gefunden.
    »Ich höre, deine Mutter war krank«, sagte er.
    »Ja, darum bin ich nach Südafrika gekommen«, erwiderte Philip mit einem gewissen Nachdruck.
    »Und wie geht es ihr?« fragte Deon schnell.
    »Nicht besonders, fürchte ich. Die Diagnose steht fest: Krebs. Und sie ist nicht sehr widerstandsfähig. Sie hat ein schweres Leben gehabt.«
    Es war schwer zu sagen, ob in seiner Miene Anklage oder Rechtfertigung lag.
    »Ich weiß«, sagte Deon.
    Sie schwiegen beide.
    »Aber sie freut sich noch am Leben«, sagte Philip. »Macht Reisen, besucht Freunde.« Vertraulich fügte er hinzu: »Ich wollte sie nach Kanada holen. Vor Jahren. Alles war vorbereitet für sie. Aber sie wollte nicht kommen. Hier ist ihre Heimat. Hier ist sie zu Hause. Und so ist sie nicht gekommen.«
    »Alte Leute werden wohl so«, meinte Deon.
    »Ja, ich glaube auch.«
    Jetzt war es an Deon, vertraulich zu sprechen. »Meine Mutter ist jetzt auch hier.«
    Philips Augen blitzten kurz auf, aber er verbarg seine Überraschung. »Wirklich? Hier in Kapstadt?«
    »Ja. Ich habe sie von ihrem Bruder fortgeholt. Er wurde zu alt, um richtig für sie sorgen zu können. Sie hatte einen Schlaganfall, weißt du. Na ja, ich habe sie in einem guten Heim untergebracht. Mit guten, freundlichen Schwestern.«
    »Das ist viel wert«, sagte Philip langsam. Wieder schwiegen sie, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
    »Alt werden ist bitter«, sagte Philip nüchtern.
    »Geboren werden ist bitter«, sagte Deon.
    Beide lachten. Der kritische Augenblick war vorbei. Professor Gleave kam geschäftig auf sie zu. »Wir können beginnen, Professor Davids. Würden Sie uns entschuldigen, Deon?«
    »Selbstverständlich.« Deon wandte sich ab. Dann kam ihm eine Idee, und er drehte sich zu Philip um. »Ich möchte dich gern wieder sehen. Nach der Vorlesung.«
    Philip wurde bereits zur Seitentür komplimentiert. »Gern«, rief er zurück.
    »Zum Essen. Heute Abend bei mir zu Hause. Kannst du es einrichten?«
    Philip zögerte. Er widersetzte sich einen Moment lang dem Drängen Gleaves. »Ich möchte schon«, sagte er. »Danke.«
    »Ausgezeichnet. Ich hol' dich nachher ab.«
    »Vielen Dank«, sagte Philip Davids.
    Professor Gleave war ein temperamentvoller Redner. Er hatte die Angewohnheit, das Rednerpult so inbrünstig zu umklammern, als sei es eine neue Weltanschauung.
    »Ich habe das große Vergnügen, Ihnen Professor Davids anzukündigen, unseren Gastdozenten …«
    Deon hörte abwesend den abgedroschenen Lobesreden zu. Gleave war ein gedrungener, breitschultriger Mann mit den Augen eines Sehers. Die Genetik war seine Leidenschaft, und seine Hingabe war um so vorbehaltloser, als einige Jünger anderer medizinischer Fächer dazu neigten, dieses Gebiet mit einer gewissen Geringschätzung zu betrachten, quasi als amüsantes Spielzeug, mit dem man sich die Zeit vertreibt, wenn man nicht mit dem ernsten Geschäft des Diagnostizierens und Heilens richtiger Krankheiten beschäftigt war.
    Es war ein Triumph, Philip, Anwärter auf einen Nobelpreis, heute hier zu haben. Gleaves Haltung ließ daran keinen Zweifel, als er seine Einführung beendete.
    Durch die Reihen ging ein Raunen der Erwartung, hier und da klatschte jemand. Philip wartete mit gesenktem Kopf, bis der Beifall abklang, dann sah er auf und ließ langsam und selbstbewusst den Blick über die Reihen weißer und einiger dunkler Gesichter schweifen. Als er zu sprechen begann, war seine Stimme so leise, daß seine Zuhörer gezwungen waren, sich zu konzentrieren. Deon nahm den Trick des Berufssprechers mit einem kleinen Lächeln zur Kenntnis und lehnte sich bequem zurück.
    »Auf die Gefahr hin, eine Binsenweisheit von mir zu geben«, begann Philip, »möchte ich Sie daran erinnern, daß die Arbeit der meisten Ärzte darin besteht, anerkannte Krankheiten durch anerkannte Methoden zu heilen.« Eine kleine Kunstpause. »Wenn es aber keine solche Heilmethode gibt, müssen wir uns
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