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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde
Autoren: Barnard Christiaan
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die Frage stellen: Warum hat ausgerechnet dieser Patient diese Krankheit bekommen, und warum gerade zu diesem Zeitpunkt? Und das ist der Moment, wo wir anfangen, von medizinischer Genetik zu sprechen.«
    Ein Lichtbalken, dicht von goldenen Sonnenstäubchen durchsetzt, lag schräg im Raum und fiel quer über Philips Pult. Er schob die Notizen aus dem hellen Viereck.
    Draußen herrschte die feuchtklebrige Hitze eines Sommernachmittags am Kap. Auch hier drinnen war es heiß, und Deon, der den Vormittag in einem luftgekühlten Operationssaal verbracht hatte, wurde schläfrig.
    Was für ein Zufall es doch war, daß man Philip in genau dem Augenblick in die Pathologie geführt hatte, als auch er dort war, was selten genug vorkam. Er hatte ein Zusammentreffen vermeiden wollen, und nun hatte der Zufall es doch so gefügt, daß sie sich begegneten. War es wirklich nur Zufall? Vielleicht war es etwas ganz anderes gewesen, das ihn bewogen hatte, der Autopsie beiwohnen zu wollen, etwas tief Verborgenes … Aber das war ja alles Phantasterei. Die Begegnung war nichts Besonderes. Sie hatte sich einfach so ergeben, wie vieles im Leben.
    Er dachte wieder an das Telefongespräch am Morgen, als er sich gerade die Hände abschrubben wollte. Zuerst die schuldbewusste Stimme der Sekretärin …
    »Man wartet auf mich im Operationssaal, Jenny«, hatte er barsch gesagt. »Hat es nicht Zeit?«
    »Es tut mir schrecklich leid, Professor, aber ich habe eine Mrs. Sedara am Apparat. Sie sagt, sie sei mit Ihnen seit langem eng befreundet. Sie ist von Übersee und muß Sie dringend sprechen.«
    »Sedara?« Sein Gesicht spiegelte sich verzerrt in der glänzenden Oberfläche des Telefons. Stirnrunzelnd wiederholte er den Namen. Sedara? Er konnte sich an keinen Patienten dieses Namens erinnern, und das mit dem ›eng befreundet‹ war bestimmt übertrieben. Wahrscheinlich irgendeine zufällige Reisebekanntschaft. Es gab Leute, denen genügte ein oberflächliches Kennenlernen, um sich lebenslänglich als Busenfreunde zu fühlen. Aber Jenny war sonst geschickt darin, diese Sorte abzuwimmeln.
    »Also gut, verbinden Sie.«
    Es war eine dunkle Frauenstimme, sie sprach langsam und mit Nachdruck. »Professor Van der Riet?«
    »Am Apparat.«
    »Guten Tag, Deon.«
    »Eh, guten Tag«, sagte er leicht verwirrt.
    »Du kennst mich wohl nicht mehr, wie?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Patricia. Du kennst mich als Patricia Coulter.«
    Zweifelnd: »Patricia.« Da fiel es ihm ein, und sein Herz machte einen Satz.
    »Trish. Mein Gott! Ich …«
    »Trish. Genau.«
    Er hatte sie fast vergessen. Fast. Sich dann aber gleich an ihre Stimme erinnert. Eine Stimme aus der Vergangenheit. Von vor zwanzig Jahren. Einundzwanzig, um genau zu sein.
    »Also, da hol' mich doch der Teufel«, hatte er gesagt. Und lahm hinzugefügt: »Wo kommst du denn hergeschneit?«
    »Ich bin eben erst hier angekommen«, hatte sie gesagt. »Ich muß dich sehen. Bitte.«
    »Ja, natürlich, Trish.«
    »Ich brauche deine Hilfe. Kann ich zu dir kommen?«
    »Gewiß«, hatte er mit übertriebenem Nachdruck gesagt. »Gewiß. Natürlich.«
    »Wo geht es am besten? Und wann?«
    »In meinem Büro, würde ich sagen. Es ist in der medizinischen Fakultät.«
    »Danke. Es ist sehr nett …«
    »Nichts zu danken«, unterbrach er. Er wollte das Gespräch jetzt beenden, sobald die Höflichkeit es zuließ.
    »Morgen Vormittag operiere ich. Wie wär's mit morgen nachmittag?«
    »Ja.«
    »Morgen nachmittag um drei!«
    »Vielen Dank!«
    »Also abgemacht«, hatte er herzlich gesagt.
    »Vielen Dank, Deon. Bis dahin.«
    »Bis dann, Trish.«
    Ein gedämpftes Lachen aus den hinteren Reihen ließ ihn aufmerksam werden. Philips Gesicht war ruhig, aber seine Augen blitzten lebhaft. Was hatte er gesagt, das so witzig war? Irgendwas von Tristan da Cunha und einem Flottenstützpunkt, aber nun sprach er schon wieder über etwas anderes.
    »Fassen wir also zusammen, was wir über das Wesen vererblicher Krankheiten wissen. Im einfachsten Falle finden wir vielleicht eine unmerkliche Veränderung eines einzigen Gens, das aber die Übertragung falscher Informationen verursacht, mit weit reichenden Folgen. Ein Beispiel ist die Bluterkrankheit, deren berühmteste Trägerin Königin Victoria war, der man nachsagt, daß sie durch ihre Nachkommenschaft einen biologischen Krieg gegen die europäischen Herrscherhäuser geführt hat.«
    Erneutes Gelächter von den hinteren Bänken, vorn nur ein paar gezwungen verzogene Lippen.
    »Auf der
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