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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde
Autoren: Barnard Christiaan
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Gesicht eine auffallende Intensität verliehen.
    Deon lächelte ihn kurz an. »Philip«, sagte er gedehnt.
    Die hellen Augen sahen ihn prüfend an, dann lächelte Philip zurück. »Tag, Deon«, sagte er mit seiner hellen, spröden Stimme. Ihre Blicke trafen sich, und dann gefror ihr Lächeln, und sie wandten sich gleichzeitig ab. Deon öffnete umständlich seine Mappe und legte Papier und Bleistift zurecht.
    Die Kluft blieb bestehen. Hin und wieder, in Augenblicken gegenseitiger Sympathie, hätte man glauben können, daß sie zu überbrücken sei. Dann wurde sie wieder aufgerissen wie von einer bösen Macht, die unabhängig von ihnen beiden wirkte, und sie standen jeder auf seiner Seite des Stacheldrahtzauns. Und doch empfand Deon wieder die Pflicht, diese Barriere niederzureißen, wenn er sich auch eines leisen Grolls nicht erwehren konnte, denn warum mußten alle Anstrengungen immer von seiner Seite kommen? Philip sollte inzwischen gemerkt haben, daß ich mich nicht als sein Gönner aufspielen will, dachte er ärgerlich. Wir waren mal Freunde.
    Damals auf der Farm war alles so viel leichter gewesen. Philip war ›Flip‹, und wenn auch der Unterschied zwischen ihnen klar abgegrenzt war: einer der Sohn der Herrschaft, der andere der Sohn eines Bediensteten, so war das nicht ins Gewicht gefallen. Sie waren Freunde und Gefährten gewesen, und wenn es Prügel gab, dann hatten sie sie fast immer gemeinsam bezogen, denn Deons Vater glaubte an umgehende Bestrafung. Kweperlat nannte man die Ruten, und das Wort zwang Deon ein schiefes Lächeln auf die Lippen. Für ihn bedeutete es Heimeliges und Vertrautes, aber die Gedankenverbindung war nicht nur angenehm. Ein paar wohlgezielte Hiebe mit diesen geschmeidigen Gerten, die sie selbst in der Quittenallee hatten abschneiden müssen, konnten einem ganz schön den Hintern verbrennen. Er wußte noch, wie er und Philip hinter dem Deich, der ihr Schlupfwinkel war, gestanden und sich das Hinterteil gerieben und mannhaft versucht hatten, die Tränen zurückzudrängen.
    Damals waren sie Freunde gewesen, wenn auch nicht ebenbürtig. Jetzt waren sie ebenbürtig, aber keine Freunde mehr. Sie saßen auf derselben Bank im Hörsaal, über beiden hing drohend die Angst vor den Prüfungen, sie hatten die gleichen Pflichten und Ängste, und ihre nebelhaft versponnenen Träume von der Zukunft glichen sich. Aber Freunde waren sie nicht.
    Ach, was soll's. Er hatte weiß Gott andere Sorgen.
    Konnte es denn wirklich passiert sein? Nicht auszudenken. Es wäre sein Untergang, alles würde zusammenbrechen: das Studium, seine Karriere, seine ganze Zukunft.
    Ein winziges Ding. Ein unachtsamer Moment. Er presste gequält die Augen. Was würde sein Vater sagen? Er konnte sich's vorstellen.
    Lieber nicht. Kweperlat. Das Wort stahl sich wieder in seine Gedanken, er rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her. Wenn sein Vater Wind von der Sache bekam, konnte er sich auf mehr gefaßt machen als nur ein paar Hiebe mit der Quittenrute.
    Das Stimmengewirr senkte sich zu respektvollem Schweigen. Die kleine adrette Gestalt des Chirurgieprofessors war schon im Saal, seine Privatsekretärin folgte ihm auf Schritt und Tritt wie ein schwerfälliger Lastkahn im Tau eines schnaufenden Dampfers. Das alte Mädchen schien ihn ungern auch nur für eine Stunde herzugeben. Die Klasse beobachtete mit belustigter Neugier, wie die beiden den Unterricht vorbereiteten, und warteten auf den Moment, da er sie mit einer unwilligen Geste seiner manikürten Hand entließ und die olle Arensen auf ihren flachen Tretern verdrießlich aus dem Saal schlurfte. Die Geste kam, und Fräulein Arensen zog ab. Der Professor wies mit einem Bündel Notizen zur Tür, und ein nahe dabei sitzender Student sprang beflissen auf, um sie hinter ihrem breiten braunen Tweedrücken zu schließen.
    Der Hörsaal war klein und dürftig eingerichtet. Professor Snyman stolzierte wie ein Kampfhahn zum Tisch in der Mitte des Saals. Sein Gesicht zeigte äußerste Konzentration, und der eisengraue Schopf verstärkte noch den aggressiven Eindruck. Komisch, daß wir ihn immer ›den Alten‹ nennen, dachte Deon. So alt kann er eigentlich gar nicht sein. Mitte Vierzig vielleicht? Es liegt sicher an seiner steifen Haltung.
    Professor Snyman legte seine Notizen nieder, als liege hierin schon eine Offenbarung. Dann rückte er entschlossen seine Brille zurecht und sah auf.
    »Sie werden sich freuen, zu hören«, begann er mit seiner hohen, eindringlichen Stimme, »daß
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