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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde
Autoren: Barnard Christiaan
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eines Reiseleiters fuhr er fort: »Es hat sich in der Tat vieles geändert, Professor Davids. Das Krankenhaus hat sich, seit Sie fortgingen, in der Größe verdoppelt. Zum Beispiel haben wir jetzt eine vollständig neue Poliklinik, wo wir fast fünfzigtausend Patienten monatlich behandeln. Außerdem gibt es einen neuen Trakt für Geburtshilfe, und Professor Van der Riets neues Gebäude für Herzkrankheiten soll in achtzehn Monaten fertig sein.«
    Deon ärgerte sich über Malcolms angeberischen Ton.
    »Das hören wir schon seit anderthalb Jahren«, sagte er.
    Malcolm warf ihm einen zurechtweisenden Blick zu.
    »Sehr interessant«, sagte Philip. »Sie scheinen hier ja wahre Wunder zu wirken.«
    »Wir denken eben an die Zukunft«, konterte der Verwaltungsdirektor selbstgefällig. Er hielt sich offenbar für einen Kämpfer auf einsamem Posten.
    »Ja, das sieht man«, sagte Philip aufrichtig. Er lächelte ausgleichend zu Deon hinüber. »Du hast weiß Gott eine Herzstation verdient.«
    Deon nickte abwesend. Es war etwas um Philip, irgend etwas, das früher dagewesen war und nun nicht mehr, oder das jetzt da war und vorher nicht.
    »Kommen Sie, Herr Kollege«, sagte Gleave jovial, »wir wollen uns dem Feind stellen. Ich habe sie alle im kleinen Hörsaal versammelt, kennen Sie den noch?«
    Er führte den Farbigen den Gang hinunter, und Philip ließ sich willig leiten. Sein Körper bewegte sich ruhig und sicher in dem modisch geschnittenen Anzug.
    Das ist es, dachte Deon. Die innere Ruhe. Er ist völlig ausgeglichen. Mit sich und der Welt im reinen. Früher war er steif und befangen, inzwischen ist er selbstbewusst geworden. Ja, das ist es. Aber das ist noch nicht alles. Das fehlende Stück plagte ihn wie ein hohler Zahn. Er war ganz nahe daran, und doch kam er nicht darauf, was es war.
    Ihm fiel ein, daß er noch telefonieren mußte. Am Eingang zum großen Hörsaal war eine Telefonkabine. Er murmelte eine vage Entschuldigung und entfernte sich schnell.
    Die Studenten der letzten Semester, die zu Philips Vorlesung zugelassen waren, saßen bereits im Saal. Durch die geschlossene Tür drang träges Gemurmel. Er nahm den Hörer auf, während er mit einem Ohr noch auf die Stimmen hinter der Tür lauschte, und wählte die Nummer der Kinderklinik. Wäre es wohl besser gewesen, eine neue Herzklappe einzusetzen? Er hatte absichtlich die alte erhalten, denn das Kind war vom Land, und da war es schwierig, eine koagulationshemmende Behandlung zu gewährleisten. Aber vielleicht hätte er sie trotzdem ersetzen sollen?
    Er wurde sofort verbunden. Seine Stimme klang knapp und dringend. »Peter? Das Herzklappenkind. Wie macht es sich?«
    Die korrekte Stimme am andern Ende der Leitung sagte: »Es ist wach, Deon. Scheint alles in Ordnung zu sein. Ich habe gerade die Röntgenaufnahmen gesehen. Der Herzschatten ist viel kleiner geworden.«
    »Klingt prima. Ich bin bei einer Vorlesung in der Klinik, falls Sie mich brauchen sollten.« Aber als er den Hörer auflegte, war ihm immer noch nicht wohler zumute. Die Entdeckung, daß er den Defekt bei dem Mädchen übersehen hatte, nagte an ihm. Jedes Mal, wenn er einen Patienten verlor, quälten ihn Zweifel, ob der Tod sich nicht hätte vermeiden lassen. Oft genug hatte er gesehen, wie dünn die Trennungslinie war zwischen Leben und Tod, Erfolg und Versagen.
    Vorsätzlich lenkte er seine Gedanken auf ein anderes Problem. Peter Moorhead hatte Dienst. Was war mit Peter los? Er war seit ein paar Tagen nicht mehr recht bei der Sache. Wahrscheinlich seine Frau, die ihm zu schaffen machte.
    Deon überlegte kurz, ob er seine eigene Frau anrufen sollte, sah auf die Uhr und beschloß, es bleiben zu lassen. Sicher war sie gar nicht zu Hause. Bridgenachmittag. Oder Gartenclub oder Lesekränzchen, irgend so was.
    Seine Augen blieben an einem anderen Augenpaar hängen. Leere, tote Augen, die ihn aus der Vergangenheit anstarrten. Die Bronzebüste hatte seit Gott weiß wie vielen Jahren den Eingang zum großen Hörsaal bewacht. Eine Plakette an der zuckriggrauen Marmorsäule sagte aus, daß dies James Redwood Collier war, Professor der Medizin an der Universität von 1920 bis 1937. Zu seiner Zeit war auch er ein hohes Tier gewesen, heute ging man achtlos an seiner Büste vorbei.
    Die Pressekonferenz war noch im Gange, als Deon zum kleinen Hörsaal zurückkam. Er blieb an der Tür stehen. Philip war umringt von drei Männern, einer davon mit einer großen Kamera, und zwei Frauen, einer Blondine und einer großen
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